Anlässlich der Ausstellung A Black Hole is Everything a Star Longs to Be von Kara Walker im Kunstmuseum Basel I Neubau zeigt das Haus Gegenwart zwei Filme der US-amerikanischen Künstlerin. Kara Walker zählt zu den profiliertesten Künstlerinnen der USA. Mitte der 1990er-Jahre wurde sie bekannt für ihre wandfüllenden Scherenschnitte. Kara Walker schafft provokative Werke, die sich mit Geschichte, Rassenbeziehungen, Geschlechterrollen, Sexualität und Gewalt befassen. Schonungslos analysiert sie tief verwurzelte Konflikte und anhaltende soziale Missstände.

Die hier gezeigten beiden Filme sind aus den Recherchen der Künstlerin über das U.S. National Archives Bureau of Refugees, Freedmen and Abandoned Lands entstanden. Dieses Archiv ist eine bedeutende Quelle für die Erforschung der afroamerikanischen Geschichte in der Zeit der Reconstruction nach dem Bürgerkrieg. Das 1865 gegründete sog. Freedmen's Bureau unterstützte die soziale und rechtliche Eingliederung Zehntausender ehemaliger Sklaven in die Gesellschaft. Der Krieg hatte fast vier Millionen Sklaven befreit und Städte, Gemeinden und die von den Baumwollplantagen abhängige Wirtschaft in den Südstaaten der USA zerstört. Die Behörde gab Lebensmittel und Kleidung aus, betrieb Krankenhäuser und provisorische Lager. Sie half bei der Suche nach Familienangehörigen, förderte das Bildungswesen, unterstützte Freigelassene bei der Legalisierung von Ehen, verschaffte ihnen Arbeit, überwachte Arbeitsverträge, vertrat sie vor Gericht und siedelte Freigelassene auf verlassenem oder konfisziertem Land an. Auch dokumentierte die Behörde Gewaltereignisse und Rassenkonflikte.

Kara Walkers Filme stellen zwei der in den Protokollen des Freedmen's Bureau aufgezeichneten Vorfälle neu dar. Für den Soundtrack beider Filme arbeitete Kara Walker mit den renommierten Musiker*innen Jason und Alicia Moran zusammen. Alicia Hall Moran ist transdisziplinäre Mezzosopranistin, die in Oper, Theater und Jazz auftritt und vielfach mit Künstler*innen zusammenarbeitet. Jason Moran ist Grammy-nominierter Jazzpianist, Komponist und Performer.

Sie hat Arbeiten für die Biennale in Venedig, die Whitney Biennale, das Walker Art Center und das Philadelphia Museum of Art sowie zuletzt für die Carnegie Hall, das Symphony Center in Chicago und die Elbphilharmonie in Hamburg geschaffen, neben vielen anderen.

In Six Miles from Springfield on the Franklin Road (2009) berichtet das junge Schwarze Mädchen Amanda Willis, wie ihre Familie von einer Bande weisser Männer überfallen und ausgeraubt, und sie verschleppt und vergewaltigt wird. Ihr Vater wird erschossen und das Haus niedergebrannt. Der Film spielt in Springfield, einer Kleinstadt nördlich von Nashville, Tennessee. Die scheinbar beschauliche Idylle einer afroamerikanischen Familie verwandelt sich in eine albtraumhafte Darstellung von Mord, Vergewaltigung und Brandstiftung.

Die Geschichte von Lucy of Pulaski (2009) basiert auf dem Bericht eines gewaltsamen Zusammenstosses zwischen Afroamerikanern und Weissen, der sich 1868 in Pulaski, Tennessee ereignete. Der Bericht ist ausführlich und untersucht die Ereignisse, die dazu führten, dass ein Mob von 18 Weissen acht Afroamerikaner in der Stadt umzingelt, tötet oder verletzt. Schlüsselfigur ist Lucy Reynolds, eine Afroamerikanerin, die angeblich mit dem Weissen Calvin Lamberth verkehrte, zum Verdruss von Calvin Carter, einem Afroamerikaner. Die beiden Männer waren Händler und der Streit um das Verhalten der Frau war nur vordergründiger Anlass für den Gewaltausbruch, wie Kara Walker in dem Film beschreibt. Der sog. Pulaski riot zeigt auf, wie brutal sich die Weissen ihre Vorherrschaft sicherten, namentlich in der Stadt Pulaski, in der 1865, drei Jahre von diesem Ereignis, der Ku Klux Klan gegründet worden war.

Bericht zu den Ereignissen in Six Miles from Springfield on the Franklin Road: Link

Bericht zu den Ereignissen in Lucy of Pulaski: Link

Beide in: National Archives Microfilm, State Record M999 Tennessee, Roll 34, Register of Outrages, Vol. 1