Das Kunstmuseum Basel entschädigt die Erben von Julius Freund für sieben Zeichnungen und eine Lithografie aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Entscheidung für diese Entschädigungszahlung ist ein Bekenntnis zu den Washingtoner Prinzipien und der eigenen Strategie Provenienzforschung. Das Kunstmuseum ist glücklich, die Werke für die Sammlung erhalten zu können. Die gefundene Lösung ist auch im Sinne der Erben.
Julius Freund (1869–1941), ein deutsch-jüdischer Textilfabrikant aus Berlin, trug über 25 Jahre mehr als 700 Gemälde und Papierarbeiten der Kunst der deutschen Romantik und des Realismus sowie ausgewählte Positionen des frühen 20. Jahrhunderts zusammen. Werke von Künstler:innen wie Carl Blechen, Adolph von Menzel, Caspar David Friedrich, Käthe Kollwitz und Hans Baluschek zählten dazu. Die hohe Qualität der Sammlung war deutschlandweit bekannt. Noch heute gilt der auf vielen seiner Werke angebrachte Sammlerstempel «JF» als ein Gütezeichen.
Nach Aufgabe seiner Firma zog Freund 1931 mit seiner Frau Clara (1878–1946) für drei Jahre nach Italien. Seine Kunstsammlung wollte er während dieser Zeit einem Museum anvertrauen – ein Vorhaben, das jedoch erst 1933 gelang, als er 385 Werke ins Kunstmuseum Winterthur auslagern konnte, wo sie neun Jahre lang verblieben. 1934 und 1936 wurden 106 weitere Werke ergänzt. In der Schweiz erfreute sich die Sammlung Freund grosser Beliebtheit. Nicht nur in Winterthur, sondern auch in den Kunstmuseen Luzern, Bern und Basel fanden Ausstellungen mit ihren Werken statt.
Die Situation der Familie in Deutschland änderte sich nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 dramatisch. Sohn Hans musste die Universität Leipzig verlassen; nach der Promotion 1934 in Basel wanderte er nach London aus. Während des Zweiten Weltkrieges war er als feindlicher Ausländer auf der Isle of Man interniert. Tochter Gisela, die später als Fotografin Gisèle Freund berühmt wurde, floh 1933 nach Paris. Julius und Clara Freund kehrten 1934 nach Berlin zurück und wurden zur Zahlung hoher diskriminierender Steuern gezwungen. 1939 emigrierten sie nach England, wo Julius Freund 1941 in einem Armenspital in Wigton verstarb.
Am 21. März 1942 liess Gisèle Freund die in der Schweiz befindlichen Kunstwerke der väterlichen Sammlung über das Auktionshaus Theodor Fischer in Luzern versteigern. Die Eltern hatten sie im Dezember 1933 ihrer Tochter, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Paris befand, formal übertragen, um sie so vorausschauend vor dem direkten Zugriff der Nationalsozialisten zu schützen. Den Entschluss zum Verkauf fasste sie gemeinsam mit ihrer Familie. Hintergrund war laut eigener Aussage die Mittellosigkeit ihrer Mutter. Der Erlös der Auktion floss der mittlerweile in Buenos Aires lebenden Gisèle ungeschmälert zu. Sie kaufte davon ein Haus, dessen Mieteinnahmen fortan den Lebensunterhalt ihrer Mutter sicherten. Das Kunstmuseum Basel erwarb aus dieser Versteigerung fünf Zeichnungen und eine Lithografie für das Kupferstichkabinett. Zwei weitere Werke mit dieser Provenienz kamen als Schenkungen hinzu.
2005 restituierte die Bundesrepublik Deutschland vier Werke, die Adolf Hitlers «Sonderbeauftragter für das Führermuseum» Hans Posse auf derselben Auktion gekauft hatte, an die Erben nach Julius Freund. Die Rückgabe wurde damit begründet, dass die wirtschaftliche Not Clara Freunds im Exil als Folge ihrer NS-Verfolgung anzusehen sei. Weiterhin mag für die Restitution eine Rolle gespielt haben, dass die Kunst von einem Repräsentanten des Deutschen Reichs erworben wurde. Es folgten andere Rückgaben von deutschen Museen sowie Einigungen mit Privatpersonen.
Das Kunstmuseum Basel ist von sich aus auf die Rechtsvertreterin der Erben nach Julius Freund zugegangen und hat den Besitz der acht Werke angezeigt. Nach Austausch der unterschiedlichen Positionen fanden die beiden Parteien eine einvernehmliche Lösung: Die Erbengemeinschaft nach Julius Freund erhält eine Ausgleichszahlung und die Kunstwerke verbleiben im Kunstmuseum Basel. Über die Höhe der gezahlten Summe wurde Stillschweigen vereinbart.
Transparenz für Besucher:innen des Kunstmuseums Basel
Die Papierarbeiten wurden vom 3.6. bis 21.9.2025 in der Ausstellung Offene Fragen. Zur Herkunft von Zeichnungen aus dem Kupferstichkabinett. Die Sammlungen Julius Schottländer und Julius Freund in den Grafikkabinetten des Kunstmuseums präsentiert. Auf Wunsch können Interessierte sie sich im Studienraum vorlegen lassen.
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