Am 8. Februar 1980 wurde das Museum für Gegenwartskunst, heute Kunstmuseum Basel | Gegenwart, im St. Alban-Tal eröffnet und dem Kunstmuseum und damit der Basler Öffentlichkeit übergeben. Das Kunstmuseum Basel feiert das Jubiläum mit einem Fest am 20. Juni und einem abwechslungsreichen Ausstellungsprogramm.
Das Museum für Gegenwartskunst konnte vor vierzig Jahren errichtet werden dank einer gemeinsamen Schenkung der Emanuel Hoffmann-Stiftung (EHS) und deren Gründerin Maja Sacher-Stehlin zusammen mit ihrer Familie an die Christoph Merian Stiftung, die das Gebäude seither dem Kunstmuseum Basel zur Verfügung stellt. Im europäischen Raum kam dieser Moment einem Statement gleich – in Basel entstand damit das erste Museum, das explizit der Gegenwartskunst und ihren aktuellen Diskussionen gewidmet ist.
«Die Initiative, die von Maja Sacher-Stehlin ausging, war schon damals und ist aus heutiger Sicht visionär und grossartig», sagt Josef Helfenstein, Direktor des Kunstmuseums Basel. «Bereits die Gründung der Emanuel Hoffmann-Stiftung 1933 hat sich auch für die Ausstellungsgeschichte des Kunstmuseums Basel als richtungweisend erwiesen, da die Sammlung der EHS der Öffentlichen Kunstsammlung Basel als Depositum zur Verfügung steht. Die EHS hat stetig vorausblickend und durchaus riskant gegenwärtige Kunst für die Zukunft gesammelt. Fast 50 Jahre später hatte Maja Sacher-Stehlin dann den strategischen Weitblick, erneut in die Zukunft zu blicken und für diese zeitgenössische, teilweise noch nicht museal gesicherte Kunst eine physische Institution zu schaffen. Dass das Kunstmuseum Basel sich unablässig aus diesem reichhaltigen Fundus bedienen kann, ist ein einzigartiges Privileg.»
«Meine Grossmutter konnte durch das neue Museumsprojekt noch einmal so pionierhaft wirken wie immer, wenn es um ihr konsequentes Eintreten für zeitgenössische Kunst ging», sagt Maja Oeri, Präsidentin der Emanuel Hoffmann-Stiftung und der Laurenz-Stiftung. «Schon im Stiftungsvertrag der EHS hatte sie festgelegt, dass Werke von Künstlern zu kaufen sind, ‘die sich neuer, in die Zukunft weisender, von der jeweiligen Gegenwart noch nicht allgemein verstandener Ausdrucksmittel bedienen’. Die Tragweite dieser Satzung ist heute noch zu spüren. Für die Emanuel Hoffmann-Stiftung sind die wichtigsten und spannendsten Aufgaben nach wie vor die Suche nach neuer Kunst, die uns weiterbringt, sowie die öffentliche Präsentation der Sammlung, wofür sich die Räume im Kunstmuseum Basel ǀ Gegenwart auch 40 Jahre nach der Eröffnung des Baus wunderbar eignen.»
Auslöser der Initiative war die geplante Schenkung von Werken der Minimal Art des Grafen Panza di Biumo, der für seine Sammlung nach geeigneten Räumlichkeiten suchte. Maja Sacher-Stehlin reagierte auf diesen Impuls mit dem Vorschlag, ein eigenes Museum für diese Art von Kunst zu bauen. Dem Kunstmuseum am St. Alban-Graben fehlte ohnehin der Platz, um alle Bestände, die gezeigt werden wollten, auch tatsächlich zu präsentieren. Das «Museum für Gegenwartskunst der Emanuel Hoffmann-Stiftung und der Öffentlichen Kunstsammlung» sollte erlauben, die von der EHS und dem Kunstmuseum angekauften Werke aus den «letzten anderthalb Jahrzehnten» endlich zu zeigen, wie der damalige Direktor Franz Meyer 1980 in der Pressemitteilung schrieb.
Die Christoph Merian Stiftung (CMS) hatte sich 1975 bereit erklärt, die Bauten der früheren Stöcklin’schen Papierfabrik im St. Alban-Tal für das Vorhaben zu reservieren und den Umbau zu leiten. Im Dezember desselben Jahres erfolgte die Schenkung der Baukosten durch Maja Sacher-Stehlin, Präsidentin der Emanuel Hoffmann-Stiftung, und ihre Familie an die CMS, die ihrerseits inzwischen die Architekten Katharina und Wilfrid Steib mit der Projektierung beauftragt hatte. Weil das eine Gebäude für einen Umbau ungeeignet war, wurde an seiner Stelle ein Neubau geplant, der durch einen Zwischentrakt mit dem Altbau verbunden wurde. Als Beitrag zur Deckung der Betriebskosten äufneten die EHS und die CMS gemeinsam zudem den «Fonds für künstlerische Aktivitäten im Museum für Gegenwartskunst der Emanuel Hoffmann-Stiftung und der Christoph Merian Stiftung».
2005 wurde das Haus umfassend renoviert, Anfang 2019 wurden kleinere Sanierungsarbeiten ausgeführt. Im Jahr 2016 erfolgte die Umbenennung in Kunstmuseum Basel | Gegenwart.
1980 noch wurde als Grenzscheide die «künstlerischen Bewegungen von Nouveau Réalisme und Pop Art» festgelegt, um zu bestimmen, welche Werke aus den Sammlung der EHS und des Kunstmuseums im Hauptbau am St. Alban-Graben und welche im Museum für Gegenwartskunst ihren Platz finden. Seit der Eröffnung des Neubaus am St. Alban-Graben im Frühjahr 2016, in dem vermehrt selbst zeitgenössische Kunst gezeigt wird, hat sich diese Trennung aufgeweicht. Schon seit den frühen Achtzigerjahren werden ausserdem im Haus im St. Alban-Tal neben den Sammlungspräsentationen auch Wechselausstellungen eingerichtet.
Eröffnet wurde das Museum für Gegenwartskunst (MGK) unter dem damaligen Direktor Franz Meyer mit einer Ausstellung zum Bestand der Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung. Auch sein Nachfolger Christian Geelhaar sowie die späteren Direktorinnen und Direktoren richteten im MGK Ausstellungen ein. Bald erhielt das Haus jedoch eine eigene Leitung: Zu den Kuratorinnen und Kuratoren bis 2020 zählen Jörg Zutter, Theodora Vischer, Philipp Kaiser, Nikola Dietrich und Søren Grammel.
Auf einer Ausstellungsfläche von 2460 Quadratmetern wurden in den letzten 40 Jahren Ausstellungen von Matthew Barney, Johanna Billing, Monica Bonvicini, Marcel Broodthaers, Tacita Dean, Katharina Fritsch, Robert Gober, Rodney Graham, Dan Graham, Gary Hill, Roni Horn, Pierre Huyghe, Ilya Kabakov, Toba Khedoori, Annika Larsson, Louise Lawler, Hilary Lloyd, Brice Marden, Reinhard Mucha, Bruce Nauman, Claes Oldenburg, Elizabeth Peyton, Richard Prince, Richard Serra, Rosemarie Trockel, Jeff Wall, Andrea Zittel, Schweizer Künstlerinnen und Künstler wie Fischli / Weiss, Markus Raetz, Hannah Villiger und Rémy Zaugg sowie Gruppenausstellungen wie zum Beispiel fremdKörper (mit Videoinstallationen von Matthew Barney, Gary Hill, Bill Viola u.a.) und White Fire – Flying Man mit amerikanischer Kunst aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gezeigt. Zu den bemerkenswertesten Ausstellungen gehört auch die permanente Präsentation der Werkgruppe von Joseph Beuys im obersten Stock, der ebenfalls mehrfach mit einer Einzelausstellung geehrt wurde.
Klimawandel und Umweltverschmutzung, regionale Kriege und kriegsähnliche Verteilungskonflikte, ungleich verteilter Wohlstand, Massenarbeitslosigkeit, Nationalismus: Angesichts zahlreicher Probleme, die Millionen unfreiwillig in die Migration treiben, fragen immer mehr Menschen, welche sozialen, ökologischen und politischen Konsequenzen jener komplexe Prozess hat, der heute pauschal als «Globalisierung» bezeichnet wird. Die Ausstellung Circular Flow. Zur Ökonomie der Ungleichheit umfasst 15 künstlerische Positionen, die entlang der genannten gesellschaftlichen Konfliktfelder die Prinzipien des Ökonomischen reflektieren. Historische Werke aus der Sammlung des Kunstmuseums stiften zusätzlich Zusammenhänge zwischen den kolonialen und postkolonialen Phasen der Globalisierung. Dabei stellt das Projekt weder die Idee noch die Realität einer sich politisch, ökonomisch und kulturell vernetzenden Welt infrage. Vielmehr will es jene gesellschaftlichen Positionen stärken, die für eine sozial gerechte und ökologische Gestaltung des Prozesses plädieren. Auch wenn der Kern der Diskussion die Kritik am kapitalistischen System ist, das die Welt zur Ware gemacht hat – Globalisierung bedeutet viel mehr als nur den weltumspannenden Verkehr von Waren und Kapital: Sie umfasst auch die Mobilität von Menschen, von Ideen, von Kultur.
Isa Genzken gehört zu den bedeutendsten lebenden Künstlerinnen. Mit ihrem Schaffen, das auch jüngere Generationen inspiriert und herausfordert, bewegt sie sich innerhalb unterschiedlicher Disziplinen wie Skulptur, Installation, Architektur, Fotografie, Film und Malerei. Mit der Ausstellung lenkt das Kunstmuseum Basel den Blick auf das herausragende künstlerische Werk, das Genzken im ersten Jahrzehnt ihres Schaffens formuliert hat. Von 1973 bis 1983 entstanden die einzigartigen Skulpturengruppen Ellipsoide und Hyperbolos, die erstmals in grosser Zahl versammelt das Zentrum einer Genzken-Ausstellung bilden werden. Ausserdem wird der Fokus auf die teilweise grossformatigen Computerausdrucke auf Endlospapier gerichtet sein, die bei der Entwicklung der Ellipsoide und Hyperbolos eine wichtige Rolle spielten und die an sich bereits von ausserordentlichem künstlerischem Wert sind. Sie werden um mehrere Zeichenserien ergänzt. Andere Werke aus dem gleichen Jahrzehnt, die in der Ausstellung gezeigt werden, sind der frühe Film Zwei Frauen im Gefecht (1974) und konzeptuell angelegte Fotoserien wie Instruments (1979) und die sogenannten Hi-Fis (1979). Die ausgewählten Werkgruppen lenken die Aufmerksamkeit auf die zu Beginn von konzeptuellen und postminimalistischen Arbeitsweisen beeinflusste Kunst Genzkens.
Mit Antigone (2018) wird im Kunstmuseum Basel | Gegenwart das jüngste und bisher komplexeste Werk von Tacita Dean erstmals in der Schweiz gezeigt. Das einstündige Epos bringt ihr Gespür für die subtile Verflechtung von mythologischen Figuren, persönlicher Geschichte und zufälligen Geschehnissen zum Ausdruck. Werkstoff der britisch-europäischen Künstlerin ist der analoge Film, den sie aufgrund seiner vielfältigen Bearbeitungsmöglichkeiten und der körnigen Brillanz wegen schätzt. Aber auch Fotografie, Druckgrafik, Zeichnung und das Schreiben sind Techniken, die sie meisterhaft beherrscht. Die Idee zu Antigone verfolgte die Künstlerin schon seit Jahrzehnten: Antigone ist der Name ihrer älteren Schwester, aber auch der tragischen Heldin im gleichnamigen Stück des griechischen Tragödiendichters Sophokles. Seit Deans erster Begegnung mit dem literarischen Stoff liess sie die Frage nicht los, was in dem Zeitraum geschieht, in dem der blinde König Ödipus an der Seite seiner Tochter und Schwester Antigone durch die Wildnis irrt. Zentrales Thema von Antigone ist die Blindheit: Die künstlerische Blindheit – Dean lässt sich immer auch von Zufall lenken und räumt Unvorhergesehenem Platz ein. Die technische Blindheit: ihre durch Maskierung und Mehrfachbelichtungen zu verschiedenen Zeiten und an wechselnden Orten entstandenen Bildfindungen konnte sie erst sehen, nachdem das Negativ im Labor entwickelt und gedruckt worden war. Dann die Blindheit von König Ödipus, der sich angesichts seiner unwissentlich begangenen Verbrechen selbst blendete und aus der Stadt Theben verbannte. Und schliesslich die Blindheit der Natur: Inneres Uhrwerk von Antigone ist eine Sonnenfinsternis, die Dean in Wyoming gefilmt hat. In der filmischen Doppelprojektion verweben sich die thematischen Fäden zu einer Dramaturgie, deren Einheit von Ort, Zeit und Handlung wie durch ein Prisma in einen Fächer aus strahlenden Bildern aufgebrochen wird.
Das Kunstmuseum Basel | Gegenwart zeigt anlässlich seines 40-jährigen Jubiläums mit einer Auswahl grossformatiger Arbeiten und Werkgruppen einige Neuzugänge aus der Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung. Der Fokus liegt auf medialen Werken, die besonderer räumlicher Voraussetzungen bedürfen. Zu diesen selten, in einigen Fällen überhaupt erstmals im Kunstmuseum Basel präsentierten Werken gehören Film- und Medieninstallationen von Fiona Tan, Klara Lidén, Thomas Demand, David Claerbout und anderen, sowie auch eine Vielzahl an Fotografien, Skulpturen und Arbeiten auf Papier. Die Präsentation nimmt das Jubiläum zum Anlass, daran zu erinnern, auf welch herausragende Weise das Kunstmuseum Basel und die Öffentlichkeit durch die Bestände der Emanuel Hoffmann-Stiftung bereichert werden. Eine Begegnung, die hochkarätige Kunst und viele Entdeckungen bereithält.