Das Kunstmuseum Basel führt Gespräche über eine «gerechte und faire Lösung» im Zusammenhang mit dem Erwerb von Henri Rousseaus Gemälde La muse inspirant le poète / Apollinaire et sa muse. Anhand dieses konkreten Falles positioniert sich das Kunstmuseum Basel betreffend «Fluchtgut» und strebt eine Vergleichslösung an. Es folgt damit seiner Strategie für die Provenienzforschung, nach der sogenanntes Fluchtgut priorisiert tiefenerforscht wird.
Das Kunstmuseum Basel erwarb 1940 das Gemälde La muse inspirant le poète / Apollinaire et sa muse (1909) von Henri Rousseau von der Gräfin Charlotte von Wesdehlen. 2021 traten die Anwälte eines Anspruchstellers in der Nachfolge von Charlotte von Wesdehlen an das Kunstmuseum Basel heran mit der Bitte, die Hintergründe des Ankaufs zu überprüfen. Für den Fall, dass die Aufklärung des historischen Sachverhalts einen NS-verfolgungsbedingten Verlust des Gemäldes bestätigen sollte, wurde um die Suche nach einer «gerechten und fairen Lösung» im Sinne der Washingtoner Prinzipien gebeten.
Die Kunstkommission des Kunstmuseums Basel und das Museum bemühten sich in der Folge aktiv um eine fundierte Aufklärung. Die Abteilung Provenienzforschung erarbeitete den historischen Sachverhalt, und es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Zusammenhänge und Lösungsansätze diskutierte. Das Ergebnis wurde den Anwälten des Anspruchstellers bei einem Treffen im Juni 2022 vermittelt. Die Vertreter:innen des Anspruchstellers baten schliesslich um die Restitution des Werks.
Der Verkauf des Gemäldes von Henri Rousseau durch Charlotte von Wesdehlen gehört zu den Fällen, die in der Schweiz als «Fluchtgut»-Verkäufe (Emigrantenverkäufe von aus Deutschland Geflüchteten im unbesetzten Ausland zwischen 1933 und 1945) behandelt werden. Kunstkommission und Kunstmuseum erachten auf Basis der Resultate der vertieften Nachforschungen und einer ausführlichen Debatte über die Behandlung von «Fluchtgut» einen Anspruch auf Rückgabe des Gemäldes als nicht gegeben. Verhandlungen über eine «gerechte und faire Lösung» werden hingegen befürwortet und sind inzwischen aufgenommen worden. Trotz aktuell noch offener Fragen möchte das Kunstmuseum einen Beitrag zur Debatte über «Fluchtgut» in der Schweiz leisten. Der Entscheid des Kunstmuseums und der Kunstkommission ist ausführlich begründet und publiziert. «Die Washingtoner Prinzipien verpflichten uns auch in Fällen von 'Fluchtgut'-Ankäufen zur Suche nach 'gerechten und fairen Lösungen', wozu auch die Aufarbeitung dieser Fälle und ihre transparente Kundgabe nach aussen gehören», erklärt Felix Uhlmann, Präsident der Kunstkommission.
Der Entscheid von Kunstkommission und Kunstmuseum mit den Erwägungen in voller Länge sowie der historische Sachverhalt werden auf der Website des Kunstmuseums veröffentlicht. Das Kunstmuseum erachtet dies als Teil der Würdigung des Schicksals von Charlotte von Wesdehlen und als notwendige Aufarbeitung der Geschichte der eigenen Institution.
Der Begriff «Fluchtgut» wurde im Bergier-Bericht eingeführt und unterscheidet sich von Raubkunst, welche jüdischen Eigentümer:innen vom NS-Regime geraubt wurde. Im selben Bericht wird auch die Geschichte von Charlotte von Wesdehlen erwähnt. Kunstkommission und Kunstmuseum bekennen sich zu den Washingtoner Prinzipien. Sie sind der Auffassung, dass bestimmte Fälle von «Fluchtgut»-Verkäufen darunter zu beurteilen sind. Die Restitution von «Fluchtgut» ist möglich, bildet allerdings die Ausnahme. Eine solche Ausnahme ist laut Kunstkommission und Kunstmuseum im vorliegenden Fall weder ersichtlich noch begründet.
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