08 Mai 2020
In der Sammlung des Kunstmuseums Basel gibt es rund 4000 Gemälde, Skulpturen, Installationen und Videos sowie mit den Beständen des Kupferstichkabinetts rund 300'000 Zeichnungen und Druckgrafiken aus sieben Jahrhunderten. Und es arbeiten rund 200 Leute am Kunstmuseum Basel in den unterschiedlichsten Berufen – Vollzeit, Teilzeit, auf Stundenbasis. Einige von ihnen stellen hier ihre Lieblingswerke aus der Sammlung vor.
1. Name und Aufgabe am Kunstmuseum Basel?
Olga Osadtschy, Assistenzkuratorin Direktion
2. Was ich mache
Als Assistenzkuratorin unterstütze ich den Direktor bei der Umsetzung der von ihm kuratierten Ausstellungen (Konzeption, Werkauswahl, Katalog und schliesslich Ausstellungsaufbau). Da ich keiner kuratorischen Abteilung angehöre, ergibt sich oft die Gelegenheit Projekte anzugehen, die sich zwischen den Epochen und Disziplinen abspielen, z.B. das Experimentieren mit neuen digitalen Formaten. Momentan bereite ich zusammen mit meinem Kollegen Paul Mellenthin die Ausstellung „The Incredible World of Photography. Sammlung Ruth und Peter Herzog“ vor, die – wenn alles gut geht - im Sommer eröffnen soll. Zum ersten rückt das Medium Fotografie und seine spannende und facettenreiche Geschichte derart prominent in den Mittelpunkt einer Ausstellung am Kunstmuseum.
3. Was ist Dein Lieblingswerk?
Marc Chagall, «Der Viehhändler», 1912
4. Warum?
Die Ausstellung «Chagall. Die Jahre des Durchbruchs 1911-1919» war die erste, die ich im Kunstmuseum Basel betreuen durfte. Dieses Gemälde aus unserer Sammlung hat in der Ausstellung, die sich auf die frühen Werke Chagalls konzentrierte, eine zentrale Rolle eingenommen. Ich habe also viel Zeit mit diesem Werk verbracht. Vor der Ausstellung war ich ziemlich voreingenommen, was Marc Chagall angeht. Denn ich kannte vor allem Spätwerk, das eine ganz andere, viel blumigere Bildsprache hat, die mir nicht unbedingt zusagt. Gerade dieses Gemälde aber hat mir die Augen für einen modernen, aufregenden Maler geöffnet, der die avantgardistischen Einflüsse seiner Zeit in sich aufsog, um daraus eigenwillige, fantastische Bildwelten zu erschaffen. Es gibt viele Aspekte, die ich faszinierend finde: Die Art und Weise, wie die Farben vor dem dunklen Hintergrund zu leuchten beginnen; der seltsame, beinahe menschliche Blick des Pferdes; das feine Spiel von Figuration und Abstraktion; der kulturelle und historische Horizont des Ostjudentums, der in diesem Werk mitschwingt … es ist ein sehr reiches, komplexes Bild und ich bleibe immer einen Moment daran hängen, wenn ich im Museum unterwegs bin.
In diesen Tagen, wenn wir an die Stadt gefesselt sind und nicht reisen können, stelle ich mir ausserdem gerne vor, wie der kleine Moische Schagalow auf dem Pferdekarren seines Onkels langsam über eine verstaubte Landstrasse rollt. Die Erinnerung an dieses Erlebnis aus Kindertagen soll nämlich die Inspiration für das Gemälde gewesen sein.