14 Apr. 2020
Am 15. April 2016 wurde der Neubau des Kunstmuseums Basel feierlich eröffnet und einen Tag später der Öffentlichkeit übergeben. Im Buch «Kunstmuseum Basel, Neubau» geben die Architekten Christ & Gantenbein einen Einblick in ihr Denken bei der Planung und beim Bau. Dieser Text ist ein Auszug davon, das ganze Buch gibt es in unserem Online Shop zu kaufen.
Da ist zunächst der Bauplatz. Er liegt dem bestehenden Museum gegenüber auf der anderen Strassenseite. Für einen Erweiterungsbau ist dies eine nicht ganz einfache, gleichzeitig aber auch eine sehr reizvolle Ausgangslage: Das neue, erweiterte Museum sollte aus zwei Häusern bestehen, womit intuitiv klar war, was das konzeptuelle Leitmotiv des gesamten Entwurfs werden würde. Die beiden Häuser sollten ein Paar bilden. Neubau und Altbau sollten eine gemeinsame Erscheinung im Stadtraum sein. Das bedeutete für uns von Anfang an, dass das neue Haus auf verschiedenen Ebenen eine Beziehung zum bestehenden Museum aufbauen sollte, eben nicht nur funktional, sondern auch räumlich und architektonisch.
Das neue Museum sollte sowohl selbstbewusst für sich stehen als auch eine Erweiterung, ein neuer Teil sein, der das Vorhandene ergänzt und stärkt und nicht in einen Wettstreit mit ihm tritt. Die grosse Herausforderung bestand für uns darin, diesem Sowohl-als-auch eine glaubwürdige Form zu geben. Die städtebauliche Grundfigur ist das Gegenüber. Über die Strasse stehen die beiden Gebäude in einer direkten räumlichen Beziehung zueinander. Hier erscheinen sie als Paar im Stadtraum. Ihre Traufen sind gleich hoch. Der Neubau befindet sich damit auf Augenhöhe mit dem Altbau. Und auch sonst sucht das neue Haus eine direkte räumliche Beziehung: Der Eingang des Erweiterungsbaus schaut zu den Arkaden des Altbaus hinüber und ist von dort entsprechend prominent sichtbar. Die markant einspringende Ecke im Volumen des Neubaus ist die zeichenhafte Antwort auf die prominente, ebenso markant vorspringende Ecke des alten Kunstmuseums. Zudem macht die einknickende Neubaufront eine einladende, räumliche Geste. Sie fasst den ganzen Raum der Kreuzung und macht ihn so zu ihrem Vorplatz. Darüber hinaus erzeugt die einspringende Ecke stehende Proportionen in der Fassade. Dies gibt dem Erweiterungsbau etwas Erhabenes und an dieser sehr prominenten Stelle ein Gesicht.
Abgesehen von dem beschriebenen Gegenüber zum Hauptbau steht der Neubau aber auch in einer sehr direkten Beziehung zu den unmittelbar anschliessenden Nachbargebäuden. Bei genauer Betrachtung wird deutlich, dass der Neubau ebenso Teil der St. Alban-Vorstadt wie auch Teil der Bebauung entlang der Dufourstrasse ist. Im Entwurfsprozess haben wir viel Zeit darauf verwendet, anhand von Modellen und Zeichnungen die Perspektive auf das Gebäude zu überprüfen. Dabei untersuchten wir, wie hoch der Neubau sein sollte und wie weit er an der St. Alban-Vorstadt vom benachbarten Gebäude abgerückt werden musste, um sowohl als eigenständiges Gebäude als auch als Teil der Strassenzeile wahrgenommen zu werden. Dieses subtile Ausloten von Dimensionen und Proportionen des Baukörpers und der Zwischenräume hatte zum Ziel, das Haus so zu formen, dass es sich in die Umgebung respektvoll und selbstbewusst zugleich einfügt.
Neben der Formung des Baukörpers im Stadtraum ging es von Anfang an auch um das Finden einer möglichst klaren inneren Struktur, um das zeichnerische Ringen um Ordnung, Proportion und Hierarchie in der Organisation der Grundrissfigur. Das Ergebnis ist eine klare Zweiteilung des Gebäudes. In jedem Geschoss befinden sich zwei Ausstellungstrakte, die durch die zentrale, monumentale Treppe vertikal verbunden werden. Zusammen mit den Foyerzonen beschreibt die Treppe eine freie, expressive Raumfigur, die über ein grosses, rundes Oberlicht belichtet wird. Im Unterschied dazu sind die Ausstellungstrakte in sich rechtwinklig. Ihre Position im Grundriss ist direkt aus der städtebaulichen Situation abgeleitet. Die Räume liegen jeweils parallel zur Strasse. Dadurch ergibt sich zum Beispiel die Möglichkeit, im ersten Obergeschoss Seitenlicht in die Räume zu bringen. Im zweiten Obergeschoss sind die Säle hingegen direkt über das Dach belichtet. Es handelt sich also um Lichtsituationen, die auch aus dem Hauptbau bekannt sind und sich dort bewährt haben.
Überhaupt ging es uns darum, im Erweiterungsbau die unbestritten hohe Raumqualität des Hauptbaus in gewisser Weise weiterzuführen. Damit möglichst jeder kuratorische Wunsch und möglichst viele Präsentationsformate im Neubau ihren Platz finden, haben wir den Zuschnitt der Räume so gewählt, dass es eine grosse Anzahl unterschiedlicher Räume gibt, sowohl was ihre Dimension als auch ihre Lichtsituation anbelangt. Auf diese Weise entsteht ein grosser Spielraum. Das Spektrum der Räume variiert zwischen Kabinett und Halle. Alle diese Ausstellungssäle sind im Durchschnitt deutlich grösser und damit auch flexibler als die alten, sie entsprechen aber ebenso sehr einer klassischen Vorstellung von Museumsraum: ruhig und zurückhaltend, wohl proportioniert und mit zeitlosen Materialien gebaut. Räume, die der Kunst den Vortritt lassen.
Autoren: Emanuel Christ & Christoph Gantenbein, Auszug aus dem Text «Ein Haus für die Kunst» im Buch «Kunstmuseum Basel, Neubau», 2016.