Es ist ein Gegenbesuch unter Freunden und eine noble Geste einer der bedeutendsten Gemäldesammlungen der Welt: Im Sommer 2015 hatte das Kunstmuseum Basel zehn Gemälde Pablo Picassos an das Museo Nacional del Prado in Madrid ausgeliehen, wo sie rund 1.4 Millionen Besucher gefunden haben. Diesem war es ein Anliegen, sich hierfür zu revanchieren, und so dürfen in diesem Jahr 26 Meisterwerke vom späten 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts aus Madrid nach Basel reisen.
Selbst eine derart grosszügige Gegenleihgabe kann den Reichtum der Madrider Sammlung nicht annähernd abbilden. Die von Kunstmuseum und Prado gemeinsam getroffene Auswahl unternimmt daher bewusst nicht den Versuch, einen Querschnitt der dortigen Bestände zu präsentieren. Die handverlesenen Gäste aus dem Prado werden vielmehr in 24 konzentrierten Stationen mit Gemälden aus dem Kunstmuseum zusammengebracht: Tizian, Zurbarán, Velázquez, Murillo und Goya treten in Dialog mit Memling, Baldung, Holbein d. J., Goltzius und Rembrandt. Druckgrafische Zyklen von Goya und Holbein d. J. aus den Beständen des Kupferstichkabinetts runden das Gipfeltreffen beider Sammlungen ab. Ziel der Ausstellung ist es, die über alle künstlerischen, geografischen und zeitlichen Abstände hinweg bestehenden Verbindungslinien zwischen den Gemälden und den Sammlungen zu thematisieren und sichtbar zu machen. Den Besucher erwartet neben höchstem Kunstgenuss also eine abwechslungsreiche Entdeckungsreise.
Hierfür ein Beispiel: Kurz vor der Reformation revolutionierte Hans Holbein d. J. in Basel die sakrale Kunst, als er mit seinem Toten Christus im Grab ein Stillleben als Destillat aus der biblischen Erzählung schuf, das die Kategorien und Grenzen religiöser Malerei verschob. Etwa einhundert Jahre später malte Francisco de Zurbarán im Gefolge der Gegenreformation ein noch radikaleres Bild, das in der Tradition der kargen, nahsichtigen Bodegones, der spanischen Mahlzeitstillleben, ein gefesseltes Lamm zeigt: das Agnus Dei aus dem Johanneswort, eines der ältesten Symbole für Christus. Beide Werke implizieren also die Frage, wie man den Gottessohn überhaupt darstellen solle. Diese Frage wird bei einem weiteren Bild Zurbaráns dann zum eigenständigen Thema, indem der Maler in die Rolle des heiligen Lukas unter dem Kreuz schlüpft und stille Zwiesprache mit dem Gekreuzigten hält. Natürlich wird die Ausstellung auch ein profanes Bodegón aus Madrid präsentieren, das zum Vergleich mit dem grossen gedeckten Tisch Georg Flegels aus Basel einlädt. Und Hans Holbein d. J. darf sich auch als Historienmaler und Porträtist mit Italienern messen: mit Tizian, dessen Ecce Homo Holbeins Geisselung gegenüberstehen wird, bzw. mit Giovanni Battista Moroni, dessen Soldatenbildnis den Widerpart zu Holbeins Bonifacius Amerbach abgibt. Mit religiösen und mythologischen Historienbildern, Allegorien und Landschaften werden weitere Gattungen abgedeckt.
Die insgesamt 54 Werke erläutern sich gegenseitig: Ihre Gemeinsamkeiten ebenso festzustellen wie die Unterschiede zwischen ihnen, liefert die Basis für weitergehende Schlussfolgerungen. Durch vergleichendes Sehen werden Anknüpfungspunkte aufgezeigt, die sich manchmal auf den ersten Blick erschliessen, in anderen Fällen erst bei genauerer Betrachtung offenbar werden. So wird Kunstgeschichte geschrieben – oder so sollte sie aus unserer Sicht zumindest geschrieben werden.