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Shirley Jaffe

Form als Experiment

NEUBAU / 25.03.–30.07.2023 / Kuratorinnen: Olga Osadtschy, Frédéric Paul

Sie kam 1923 als Shirley Sternstein in New Jersey zur Welt und ging als Mrs Jaffe 1949 nach Paris. Die Ehe mit dem Journalisten Irving Jaffe hielt zwar nicht lange, trotzdem blieb die Malerin in Frankreich. Sie fand schnell Anschluss und traf sich regelmässig mit den damals in Paris ansässigen amerikanischen «Kunst-Expats» Norman Bluhm, Sam Francis und Joan Mitchell, die etwas später nach Paris kam. In jener Zeit ist ihr Schaffen dem Abstrakten Expressionismus zuzuordnen, der Kunst, die nur aus sich selbst schöpfen wollte und vornehmlich aus wild aufgetragenen Farbfeldern und Gesten bestand. Damals ein Erfolgsrezept, um im Kunstmarkt zu bestehen. Doch Jaffe verliess diesen Pfad.
Ein Stipendium der Ford Foundation führte die Künstlerin 1963 für ein Jahr nach Westberlin. Der Umstand, in einer geteilten Stadt – einer geteilten Welt zu leben –, der Tod John F. Kennedys im selben Jahr sowie neue Einflüsse, etwa die Musik von Karlheinz Stockhausen, verändern ihren Stil. Auch die europäische Abstraktion von Wassily Kandinsky oder Sophie Taeuber-Arp inspiriert sie. Während ihres Jahres in Berlin werden ihre Farbfelder monochromer und geometrischer, hier und da tanzen und wirbeln sie wie Legosteine oder bunte Papierschnipsel durch die abstrakt-expressiven Passagen ihrer Leinwände.

Atelier de Shirley Jaffe, Paris, 13 octobre 2008, Kunstwerk im Hintergrund : Shirley Jaffe, "Bande Dessinée en Noir et Blanc", 2009, © 2023, ProLitteris, Zurich, © Bibliothèque Kandinsky, Centre Pompidou, MNAM-CCI / Jean-Christophe Mazur

Links standen die fertigen Werke, rechts die unfertigen. Dazwischen fünf Meter Platz. So lebte und arbeitete die Künstlerin ab 1969 in der Rue Saint-Victor, in der ihre Pariser Atelier-Wohnung lag, aus der sie bis zu ihrem Tod 2016 nicht mehr auszog. Diese fünf Meter könnte man auch metaphorisch lesen, als Raum der Reflexion von Gegensätzen; von Amerika und Europa, von abstrakt und geometrisch, von rätselhafter und dennoch ungemein zugänglicher Kunst.
Die Sammlung des Kunstmuseums Basel beherbergt seit Kurzem eine bedeutende Gruppe von Werken aus Jaffes Schaffen. Ein Grund mehr, die bewegende Malerei von Shirley Jaffe neu zu entdecken und diese mit dieser grossen und breitgefächerten Sonderausstellung, die in enger Kollaboration mit dem Centre Pompidou in Paris sowie dem Musée Matisse in Nizza entstanden ist, zu feiern.

Die Ausstellung wird vom Centre Pompidou, Paris in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Basel und dem Musée Matisse, Nizza organisiert.
Die Ausstellung Shirley Jaffe. Eine amerikanische Frau in Paris wurde vom 20. April bis 29. August 2022 im Centre Pompidou gezeigt. Die Ausstellung wird im Musée Matisse vom 11. Oktober 2023 bis zum 8. Januar 2024 zu sehen sein.

Medrano, Shirley Jaffe, 1958

Medrano, Shirley Jaffe, 1958

Geschichten hinter den Bildern. Erinnerungen an Shirley Jaffe

Shirley Jaffe sprach nur ungern über sich selbst. Auch wenn es einige Artikel, Kataloge und Interviews gibt, ist die Materiallage vor allem dann bescheiden, wenn es um Jaffe als Person geht. Eine der Ausnahmen ist das ausführliche Interview mit der Künstlerin für die Archives of American Art, Smithsonian Institution (Washington D.C.), das 2010 von der Autorin und Kuratorin Avis Berman geführt wurde.

Das Oral History Projekt knüpft an dieses und andere im Laufe der Jahre gesammelten Interviews an (z.B. vom Philosophen Yves Michaud) und ergänzt sie aus einer intimeren Perspektive. Durch Gespräche mit Freund:innen der Künstlerin, Familienmitgliedern, Händler:innen und Künstler:innen, die Shirley Jaffe nahestanden, wurden für dieses Projekt persönliche Geschichten und Erinnerungen archiviert, die über kunsthistorische Sachverhalte hinausreichen.

Die hier verlinkte Sound-Collage des umfangreichen Materials wurde im Rahmen der Ausstellung als halbstündige Audio-Installation zugänglich gemacht. Lauschen Sie den Stimmen und erfahren Sie mehr über die Künstlerin, ihr Werk und ihre Freundschaften!

Kunstmuseum Basel · Shirley Jaffe - Oral History DE

Biografien

Andrew Arnot

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Andrew Arnot

Andrew Arnot

Andrew Arnot ist seit 1993 Eigentümer der Galerie Tibor de Nagy in New York. Er trat der Galerie bereits 1989 bei und betreute darin eine Vielzahl von Galerieausstellungen und Publikationen. Nebst der Würdigung der ursprünglichen Ausrichtung der Galerie erweitert Arnot seit der Übernahme deren Vision und verfeinert das Programm – so werden seit 2002 auch die Arbeiten von Shirley Jaffe in der Galerie ausgestellt. Die Einzelausstellungen mit Werken von Jaffe, von denen bereits fünf realisiert wurden, gehören mit zu den bedeutendsten, die Arnot kuratierte. Aber auch die Ausstellungen mit Werken von Sam Francis oder Joan Mitchell erhielten grosse Anerkennung – Künstler:innen, mit denen auch Jaffe zu Lebzeiten Kontakt hatte. Ebenso widmete er Jaffe einen Einzelstand an der renommierten Messe der Art Dealers Association of America. Die langjährige Zusammenarbeit führte nicht nur zu einem fruchtbaren und produktiven beruflichen Austausch, sondern auch zu einer engen Freundschaft, wobei Arnot zu einem der treusten Unterstützer der Künstlerin wurde.

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Aurélia Chevalier

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Aurélia Chevalier

Aurélia Chevalier

Aurélia Chevalier studierte Restaurierung am Institut national du patrimoine in Paris. 2005 erwarb sie ihren M.A. in Kunstgeschichte am Pantheon Sorbonne und promovierte schliesslich 2010 am Arts et Metiers Paris. Als selbstständige Gemälderestauratorin arbeitet sie international, besonders aber für französische Museen wie dem Louvre, dem Musée d'art moderne de la Ville de Paris oder dem Musée des Arts Décoratifs. Ihre Expertise liegt dabei in der Restaurierung moderner und zeitgenössischer Gemälde. Mit ihrem fundierten Wissen zu Alterungsprozessen von Materialien, betreute sie Werke zahlreicher bekannter Künstler:innen, darunter Simon Hantaï, Jean-Paul Riopelle, Jean Dubuffet und Shirley Jaffe. Das Vertrauen, das Jaffe Chevalier entgegenbrachte, zeigte sich auch darin, dass sie zu Lebzeiten zumeist nur Chevalier mit deren Konservierung betraute. Auch der Nachlass der Künstlerin arbeitet mit ihr zusammen.

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Nathalie Obadia

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Nathalie Obadia, © Luc Castel

Nathalie Obadia, © Luc Castel

Nathalie Obadia ist Galeristin und Gründerin der gleichnamigen Galerie. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften und einem Abschluss am Pariser Institut für politische Studien, führte sie ihre Leidenschaft für zeitgenössische Kunst ins Galeriewesen. So arbeitete sie von 1988 bis 1992 in der Galerie Daniel Templon, woraufhin sie 1993 ihre erste eigene Galerie im Pariser Marais eröffnete. 1999 übernahm die Galerie schliesslich auch die Vertretung von Shirley Jaffe.Diese Zusammenarbeit verhalf der Künstlerin erstmals zu finanzieller Sicherheit. Heute ist die Galerie Nathalie Obadia mit ihren Standorten in Paris und Brüssel eine Adresse von internationalem Rang und vertritt zahlreiche weitere renommierte Künstler:innen wie David Reed, Jessica Stockholder, Robert Kushner, Martin Barré und Sarkis.

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Shirley Kaneda

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Shirley Kaneda

Shirley Kaneda

Shirley Kaneda ist eine amerikanische Künstlerin und wurde 1951 in Tokio als Kind koreanischer Eltern geboren. Sie studierte Kunst an der Parsons School of Design und lebt und arbeitet seither in New York. Ihre abstrakten Gemälde zeichnen sich durch eine Verschmelzung unterschiedlicher Formen und einfacher Geometrien aus, die in leuchtenden Farben gehalten sind. Inhaltlich geht es ihr um die Förderung von Themen wie Schönheit, Fluidität und Variation durch das "Dekorative" bei gleichzeitiger Entmystifizierung traditioneller männlicher Werte wie dem Heroischen, Aggressiven oder Rationalen. Ihre Arbeiten werden in Galerien in Nordamerika, Europa, Asien und Australien ausgestellt.

Kaneda lernte Shirley Jaffes Werk 1988 in der Galerie Holly Solomon in New York kennen. Sie empfand sofort grosse Wertschätzung für Jaffes künstlerische Herangehensweise. Als mitwirkende Redakteurin des BOMB-Magazins, das sich auf die Stimmen von Künstler:innen konzentriert, führte sie 2004 ein Interview mit ihr und sprach später darüber, wie Jaffe ihre eigene Arbeit beeinflusst hat. So wurde bei ihrer Einzelausstellung bei Feigen Contemporary 2001 Shirley Jaffes Four Squares Black gezeigt - nebst Werken anderer Künstler:innen, die Kaneda in ihrer künstlerischen Entwicklung inspiriert haben.

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Robert Kushner

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Robert Kushner,  © Niko Havranek, 2019

Robert Kushner, © Niko Havranek, 2019

Robert Kushner ist ein amerikanischer Künstler und Gründungsmitglied der in den 1970er-Jahren aufkommenden Pattern-and-Decoration-Bewegung. Er wurde 1949 in Pasadena geboren und schloss 1971 sein Studium der bildenden Künste an der University of California in San Diego ab. Sein künstlerisches Werk kennzeichnet sich noch heute durch einen dekorativen Malstil und der Verwendung unterschiedlicher Materialien und Techniken. Oft verwendet er dabei Motive wie Blätter und Blumen sowie geometrische Formen und Gitter. Kushner lebt und arbeitet in New York, wo er 1975 auch Shirley Jaffe kennenlernte. Aus einer Zusammenarbeit in der Holly Solomon Galerie entstand eine enge Freundschaft. So bezeugt Kushner heute, dass Jaffes Einfluss ein wichtiger Teil seines künstlerischen Lebens war.

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Frédéric Paul

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Frédéric Paul, © Kunstmuseum Basel/Max Ehrengruber

Frédéric Paul, © Kunstmuseum Basel/Max Ehrengruber

Frédéric Paul ist Kurator für zeitgenössische Kunst am MNAM-CCI/Centre Georges Pompidou in Paris. Nebst seiner Tätigkeiten als Kurator, schreibt er regelmässig Beiträge für die Cahiers du Musée national d'art moderne und hat zahlreiche Aufsätze und Künstler:innenmonografien publiziert. Einige aktuelle Veröffentlichungen sind: Dorothy Iannone (Manuella, 2019), Barbara Probst (Hartmann Books, 2019), Beatriz Milhazes (Cobogó, 2018), Sarah Morris (August, 2015) und Guy de Cointet (Flammarion, 2014).
Paul lernte Shirley Jaffes Werk in der Galerie Jean Fournier in Paris kennen. Als ehemaliger Direktor des F.R.A.C. Limousin und später der Domaine de Kerguéhennec, nahm er Ende der 80er-Jahre Kontakt zur Künstlerin auf, um ihr eine Ausstellung vorzuschlagen. Die besagte Ausstellung eröffnete 1991 im F.R.A.C. Limousin, woraufhin eine fast 30-jährige Zusammenarbeit und Freundschaft entstand.

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Jerome Sternstein

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Jerry und Trina Sternstein

Jerry und Trina Sternstein

Jerome Sternstein wurde 1933 in Elizabeth, New Jersey als Shirley Jaffes jüngerer Bruder geboren. Nach zwei Jahren in der amerikanischen Armee (1953-1955), erhielt Sternstein 1959 einen B.A. am Brooklyn College der City University of New York (CUNY) und trat dann in die Graduiertenschule der Brown University ein. 1968 promovierte er in Amerikanischer Geschichte. Sternstein lehrte von 1967-1968 an der University of Iowa, von 1969-1972 an der Columbia University und von 1972-1998 bis zu seinem Ruhestand am Brookly College. Seither lebt er in Hawley, Massachussetts. Als Verwalter des Nachlasses der Künstlerin, unterstützt und begleitet er heute die Realisierung unterschiedlichster Projekte.

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Raphael Rubinstein

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Raphael Rubinstein

Raphael Rubinstein

Raphael Rubinstein ist ein in New York lebender Kunstkritiker und Schriftsteller. Derzeit arbeitet er als Professor für kritische Studien an der University of Houston School of Art. Ausserdem war er von 1997 bis 2007 als leitender Redakteur bei Art in America, wo er noch heute mitwirkt. Er publizierte zahlreiche Bücher – einschliesslich der Shirley Jaffe gewidmeten Monografie, die 2014 von Flammarion veröffentlicht wurde – und ist bekannt für seine Untersuchungen zu europäischer Kunst der Nachkriegszeit. 2002 verlieh ihm die französische Regierung die Chevalier Auszeichnung für Kunst und Literatur.
Rubinstein lernte Shirley Jaffe bereits mit 17 Jahren kennen. Sie war eine Freundin seines Vaters und wurde zu einer Art Mentorin für den jungen Mann. Jaffe prägte seine Entwicklung zum Kunstkritiker nachhaltig mit.

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Pierre Buraglio

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Pierre Buraglio

Pierre Buraglio

Pierre Buraglio ist ein französischer Künstler, der 1939 geboren wurde. Er lebt und arbeitet in Maison-Alfort, in der Nähe von Paris. Von 1987 bis 1997 war er Professor an der École des beaux-arts in Paris, wo er ebenso sein Kunststudium absolviert hatte. Er stand den Supports-Surfaces der 1960er und 1970er Jahre nahe, einer Bewegung, die eine materielle Auseinandersetzung mit den formalen Elementen der Malerei und einer sozialen sowie politischen Haltung verband. Sein Werk zeichnet sich durch die Verwendung gewöhnlicher Verbrauchsmaterialien und die daraus resultierende Sparsamkeit der Mittel sowie durch die Wiederverwendung von Bildquellen aus der Kunstgeschichte aus. Shirley Jaffe lernte Buraglio in der Galerie Jean Fournier kennen, in welcher er seit 1966 ausstellte. So kam es dazu, dass die beiden Künstler:innen gegenseitig ihre jeweiligen Ausstellungen besuchten. Es entstand eine vertrauensvolle Freundschaft, die den Nährboden für viele fruchtbare Gespräche lieferte.

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