Im Schaffen des in Basel ansässigen Expressionisten Hermann Scherer (1893–1927) sind seine letzten zweieinhalb Lebensjahre zentral. In dieser Zeit wird «Scherer zu Scherer»: Er löst sich endgültig von früheren Einflüssen (Aristide Maillol, Carl Burckhardt, Auguste Rodin) und schlägt – von Ernst Ludwig Kirchner inspiriert – eine radikal neue Richtung ein. Erstmals arbeitet der gelernte Steinmetz in Holz.
Die Ausstellung stellt Hermann Scherers grafisches Schaffen in Holz in den Fokus. Sie widmet sich damit der produktivsten Phase im Leben des Künstlers, in der über 100 Holzschnitte und mehr als 25 Holzskulpturen entstanden. Erstmals wird ein Grossteil der Druckstöcke, die seit über 80 Jahren im Kunstmuseum Basel ruhen, öffentlich zu sehen sein – zusammen mit Drucken, die davon genommen wurden.
Der Holzschnitt führt Scherer zu einer abstrahierend-flächigen Formreduktion, die auf seine Art zu zeichnen und zu malen zurückwirkt: Geschwungene Silhouetten weichen kantigen Formen und der Spur des energischen Hiebs. «Druck» ist somit in mehrfacher Hinsicht Thema der Ausstellung: Einerseits im energisch-druckvollen Spanen und Kerben des Künstlers in seinen Holzstöcken. Andererseits wird der experimentelle Charakter des händischen Anfertigens von Druckabzügen auf unterschiedlichen Papieren vor Augen geführt. Die für Scherer wichtigen Lebensthemen wie Liebe und Triebhaftigkeit, Zwei- und Einsamkeit, Existenzangst und Exzess finden in seinen Holzschnitten ihre wohl schärfste Zuspitzung.
Die Ausstellung wird im Anschluss in veränderter Form im Bündner Kunstmuseum Chur (18. Juni – 25. September 2022) und im Ernst Barlach Haus, Hamburg (5. März – 5. Juni 2023) gezeigt.
Einige Druckstöcke wurden im Vorfeld der Ausstellung in 3-D gescannt. Hier können Sie Scherers Schneidemessern in Nahaufnahme nachspüren:
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Hermann Scherer wurde 1893 in Rümmingen im Markgräflerland geboren. Nach einer Ausbildung als Steinmetz in Lörrach arbeitete er zwischen 1910 und 1919 zunächst bei den Basler Bildhauern Carl Gutknecht und Otto Roos. Ab 1918 assistierte er Carl Burckhardt bei der Ausführung der beiden Brunnenskulpturen Rhein und Wiese vor dem Badischen Bahnhof in Basel. 1920 hatte Scherer erstmals Gelegenheit, sein plastisches Werk in Stein und Gips in der Kunsthalle Basel auszustellen. Ab 1920 begann er zu malen. 1923 lernte er Ernst Ludwig Kirchner kennen und verbrachte in der Folge mehrere längere Aufenthalte bei ihm in Davos, wo seine ersten Holzskulpturen und Holzschnitte entstanden.
In der Silvesternacht 1924/1925 gründete Scherer zusammen mit Paul Camenisch und Albert Müller die Basler Künstlergruppe «Rot-Blau», die dem Expressionismus nahestand. Im Herbst 1926 erkrankte Scherer. Er starb am 13. Mai 1927 in Basel. Die Kunsthalle Basel richtete im Februar 1928 eine grosse Gedächtnisausstellung ein.
Hermann Scherer (1893–1927) ist eine der zentralen Figuren des Expressionismus in der Schweiz. Erstmals erscheint nun eine Monografie, die ausschliesslich Scherers Holzschnitten und deren Bedeutung in seinem Schaffen gewidmet ist. Herausgegeben von Marion Heisterberg und Stephan Kunz. Mit Beiträgen von Margitta Brinkmann, Marion Heisterberg, Wolfgang Kersten, Stephan Kunz und Martin Schwander, ca. 192 Seiten, ca. 150 farbige und s/w-Abbildungen.