Nachdem im vergangenen Jahr Francis Alÿs im Fokus der Sammlungspräsentation stand, widmet das Museum für Gegenwartskunst den diesjährigen Schwerpunkt dem Videokünstler Pierre Huyghe (*1962 in Paris). In drei Räumen werden installative Videoarbeiten gezeigt, die in den Jahren 2004 bis 2007 von der Öffentlichen Kunstsammlung, teilweise mit Mitteln der Petzold-Müller-Stiftung, erworben werden konnten.
Huyghes Arbeiten bewegen sich im Spannungsfeld zwischen verschiedenen Realitäts-und Zeitebenen. Er bedient sich klassischen filmischen Vokabulars, um die narrativen Strukturen und zeitlichen Prozesse des Films zu untersuchen. Indem jedoch seine Aufmerksamkeit den Bruchstellen, Ellipsen und Schnitten gilt, entzaubert er zugleich jegliche cineastische Illusion und legt die Produktionsmechanismen des Kinos frei.
Deutlich wird dies etwa in der 1997 entstandenen Arbeit Atlantic, in der drei separat gedrehte Sprachversionen des 1929 produzierten «Atlantic»-Filmes über den Untergang der Titanic von E. A. Dupont simultan projiziert werden. Da in den Anfängen des Tonfilms noch nicht sychronisiert werden konnte, wurde «Atlantic» in englischer, deutscher und französischer Sprache in gleichbleibendem Set aber mit wechselnder Besetzung gedreht. Das Nebeneinander der drei Versionen hat den Effekt, dass sich aufgrund der unterschiedlichen Länge der einzelnen Szenen die Erzählstränge fortwährend verschieben: während hier noch nichtsahnende Passagiere tanzen, ist dort das dramatische Untergangsszenario bereits in vollem Gang.
Die Videoarbeit L’Ellipse von1998 besteht ebenfalls aus drei nebeneinander projizierten Videofilmen. Die beiden äusseren zeigen zwei durch das filmische Mittel des «Jump Cut» voneinander getrennte Szenen aus Wim Wenders «Ein amerikanischer Freund» (1977). Die narrative Leerstelle zwischen diesen beiden Szenen füllt Huyghe in der mittleren Projektion, indem er den damaligen Hauptdarsteller Bruno Ganz gut 20 Jahre später wieder auftreten lässt und ihn die «fehlende» Sequenz nachspielen lässt.
Eine weitere Videoarbeit ist This is not a Time for Dreaming, die aus einem Projekt im Jahr 2004 hervorgegangen ist. Huyghe wurde eingeladen, eine Arbeit über das einzige Le Corbusier-Gebäude in Nordamerika, das Carpenter Center for the Visual Arts an der Harvard University, zu realisieren. Er inszenierte ein satirisch-ironisches Puppenspiel, in dem alle Akteure – so etwa die Kuratoren, der Dekan der Universität, Le Corbusier und er selbst – gemeinsam in der Gegenwart auftreten.