HAUPTBAU und NEUBAU / 07.09.2024–05.01.2025 / Kuratorin: Anita Haldemann
Das Basler Kupferstichkabinett bewahrt rund 300'000 Werke aus sieben Jahrhunderten. Dank Schenkungen und Ankäufen wächst die Sammlung kontinuierlich. Das Kunstmuseum Basel zeigt nun etwa 200 zeitgenössische Zeichnungen, die mehrheitlich in den letzten zehn Jahren dazugekommen sind. Sie stammen von Michael Armitage, Martin Assig, Silvia Bächli, Miriam Cahn, Róza El-Hassan, Pélagie Gbaguidi, Leiko Ikemura, Renée Levi und Maja Rieder.
Die Zeichnungen sind abstrakt oder figurativ, überlegt oder spontan. Sie befassen sich mit Themen wie der individuellen und kollektiven Identität im Spannungsfeld zwischen Kulturen und Religionen. Oder sie ignorieren mit breiten Strichen und Farbe die Abgrenzung zur Malerei.
Die Ausstellung Zeichnung heute gibt anhand einer exemplarischen Werkauswahl Einblick in die Sammlungsstrategie des Kupferstichkabinetts: Ein zentrales Ziel besteht darin, grössere Werkgruppen zu bilden, damit ein tiefes Verständnis für eine künstlerische Position entwickelt werden kann. Diese Strategie steht im Gegensatz zum so genannten enzyklopädischen Sammeln, das auf wenige Werke von möglichst vielen Künstler:innen setzt. Dank kontinuierlich aufgebauter Werkgruppen kann die Ausstellung Zeichnung heute einzelnen Zeichner:innen ganze Räume widmen.
Von Silvia Bächli, Miriam Cahn und Leiko Ikemura sind seit den frühen 1980er Jahren grosse Konvolute zusammengekommen. Diese basieren nicht nur auf Ankäufen, sondern auch auf gemeinsamen Ausstellungsprojekten, regelmässigem Austausch im Verlaufe der Jahre und vertrauensvollen Beziehungen zu Sammler:innen und Stiftungen. Renée Levi und Maja Rieder sind dagegen erst seit kurzer Zeit mit kleineren Werkgruppen in der Sammlung vertreten.
Seit ein paar Jahren ist das Kunstmuseum Basel ausserdem intensiv damit beschäftigt, die Auswahl von Künstler:innen diverser zu gestalten. Michael Armitage und Pélagie Gbaguidi beispielsweise haben beide afrikanische Wurzeln. Mit ihren figurativen Zeichnungen bringen sie auf sehr unterschiedliche Art und Weise interkulturelle Fragen ins Spiel.
Die Zeichnungen der Basler Künstlerin Renée Levi (*1960 in Istanbul) sind Ausdruck der Geste, die ihre zeichnende Hand auf dem Papier ausführt. Levi hat nicht eine bestimmte Linie im Kopf, die sie ausführen will. Vielmehr ist die Linie eine Manifestation von Bewegung.
In einer Werkgruppe von 2011/12 hat die Künstlerin Tusche und Aquarellfarbe mit einem Pinsel auf das Papier gesetzt und sie dann durch das horizontale Bewegen des Blattes zum Fliessen gebracht. Die Zeichnungen entstanden demnach durch ein Spiel mit Zufall und Kontrolle.
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Raum 2: Maja Rieder
Die in Basel lebende Maja Rieder (*1979 in Niederbipp) versteht sich als Zeichnerin. Ihre Arbeiten zeigen, dass die Grenzen zwischen Zeichnung und Malerei längst aufgehoben sind. Mit breiten Pinseln trägt sie wässrige Zeichnungsmittel wie Tusche und Gouache Schicht für Schicht auf grosse Papierbögen auf. Je grösser die Fläche ist, desto intensiver wird der Einsatz des ganzen Körpers. Wichtig ist Rieder die Verwendung von Papier, das sie zusätzlich zu Farbe und Pinsel als Material zur Geltung kommen lässt. Sie zieht es gefaltet über Holzgestelle und entfaltet es erst wieder nach dem Zeichnungsprozess.
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Raum 3: Silvia Bächli
Die Basler Künstlerin Silvia Bächli (*1956 in Baden) gilt als bedeutende Vertreterin der Zeichenkunst. Über mehrere Jahrzehnte hat sie kontinuierlich Zeichnungen geschaffen, in denen die Zwischenräume ebenso wichtig sind wie die Linien. Ihre frühe 18-teilige Arbeit Ist die schwarze Köchin da? (1988) basiert auf der grafischen Aneignung von Alltagseindrücken. Das Weglassen ist schon hier ein zentraler Aspekt ihrer Methode. Später hat Bächli zunehmend auf das Figurative verzichtet. Der Prozess des Zeichnens und die zugrundeliegende Bewegung der Künstlerin hinterlassen Pinselstriche, die als solche die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
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Raum 4: Leiko Ikemura
Die japanisch-schweizerische Künstlerin Leiko Ikemura (*1951 in Tsu, Präfektur Mie), lebt in Berlin. Sie begann ihre Laufbahn als Zeichnerin. Heute ist sie für ihre Gemälde und Skulpturen bekannt. Sie arbeitet viel mit wässriger Farbe, die sie fliessen lässt. Während sie anfänglich öfters ambitionierte Formate wählte, stehen heute kleinere Blätter im Vordergrund. Ikemuras Darstellungen sind ambivalent. Die Mädchen sind als solche zu erkennen und dennoch nicht fassbar. Dass sie Mensch und Natur sowie Traum und Realität verschmelzen lässt, geht auf ihre japanische Herkunft zurück.
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Raum 5: Michael Armitage, Pélagie Gbaguidi und Róza El-Hassan
Der kenianisch-britische Maler Michael Armitage (*1981 Nairobi, Kenia) lebt in Nairobi und auf Bali. Mit grosser Leichtigkeit trägt er die Tusche mit einem Pinsel auf kleine Formate auf. Die Motive findet er nicht nur im Alltag, sondern auch im Internet. Es können Szenen aus traditionellen Ritualen oder beobachteten Strassenprotesten sein. Sie bilden eine Materialsammlung, die er für komplexe Gemälde nutzt.
Pélagie Gbaguidi (*1965 Dakar, Senegal) lebt in Brüssel und bezeichnet sich als beninische Künstlerin. Zeichnung ist ihr wichtigstes Medium, das sie auf grossen Wänden und Papier praktiziert. Die Serie La chaine humaine (2022) ist auf herausgerissenen Seiten einer Enzyklopädie über die Flora von Katanga (früher eine Provinz der Demokratischen Republik Kongo) ausgeführt. Als Mitglied der afrikanischen Diaspora in Europa thematisiert Gbaguidi mit dem Motiv der Menschenkette die erhoffte Solidarität zwischen Nationen und Kulturen.
Von Armitage und Gbaguidi lässt sich ein Bezug zu Róza El-Hassans (*1966 Budapest) Werk herstellen. Die ungarisch-syrische Herkunft der Künstlerin inspiriert die Auseinandersetzung mit Migration und kulturellen Konflikten. In Zeichnungen, die im Spannungsfeld zwischen Ornament und Figuration entstehen, stellt sie stets auch die Frage nach der eigenen Identität.
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Raum 6: Miriam Cahn
Miriam Cahn (*1949 in Basel) lebt heute in Graubünden. Sie wird als Malerin gefeiert. Ihre künstlerischen Anfänge liegen jedoch in der Zeichnung begründet, die seit 1981 in der Sammlung des Kupferstichkabinetts vertreten ist. Ihre Kohlezeichnungen sind kraftvoll und eindringlich. Sie bilden Serien oder Wandinstallationen. Unermüdlich rückt Cahn Krieg und Gewalt, insbesondere sexuelle Gewalt gegen Frauen, und die Verletzlichkeit des Körpers in den Fokus. In den 1990er Jahren wurden der Krieg auf dem Balkan und der Golfkrieg wichtiger Gegenstand vieler Zeichnungen.
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Hauptbau
Grafikkabinette im 1. Obergeschoss: Martin Assig
Martin Assig (*1959 Schwelm, Deutschland) lebt und arbeitet in Berlin und Brädikow. Er setzt sich mit Spiritualität auseinander, mit dem Tod und seiner eigenen Vergänglichkeit. Mit Pinsel und Tusche zeichnet er eher zaghaft wenige Linien und selten Flächen. Er skizziert Fragmente von Menschen, von denen er zum Beispiel nur den Rumpf oder gesichtslose Köpfe wiedergibt. Die Wesen, die darin leben, sind ihm wichtiger als ihre Körper. Gefässe und Kleider sind ebenfalls Behälter für Körper, die organische Behausungen für Seelen sind. Das Materielle und Sichtbare ist für Assig lediglich ein Versuch, das Immaterielle zu denken.
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