Das Kunstmuseum Basel zeigt in den Grafikkabinetten eine Auswahl von politischen und sozialkritischen Karikaturen des französischen Künstlers Honoré Daumier (1808–1879) aus den Beständen des Kupferstichkabinetts. Darin wird Daumiers sezierender Blick auf alle gesellschaftlichen Schichten und die zahlreichen politischen Geschehnisse des Frankreichs im 19. Jahrhundert aufgefächert.
In der Präsentation Überspitzt. Karikaturen von Honoré Daumier sind zynische Kommentare zu Parlamentsentscheiden genauso vertreten wie eine Persiflage der Frauenrechtlerin Eugénie Niboyet (1796–1883) und eine legendäre Anekdote aus der Vergangenheit des Königs Louis-Philippe (1773–1850). Mit Hilfe des fiktiven Betrügers Robert Macaire erklärte Daumier in einfachen Darstellungen komplexe Methoden der Wirtschaftskriminalität, die das politisch instabile Land zusätzlich schwächten. Die satirische Zeitung Le Charivari, für die er am längsten arbeitete, druckte die Karikaturen und gab so der ärmeren und meist illiteraten Arbeiterbevölkerung die Möglichkeit, von diesen Machenschaften zu erfahren.
Doch auch der Pariser Alltag gab Daumier genug Vorlagen für Karikaturen. Die Eitelkeit von Künstler und Bürger:in, der im Trockenen abgehaltene Schwimmunterricht oder die zahlreichen Ausdrucksmöglichkeiten des menschlichen Gesichts – Daumier liess nichts zeichnerisch unkommentiert. Seine Karikaturen spiegeln eine Metropole und Gesellschaft wider, die in politisch turbulenten Zeiten auf mannigfaltige Weisen zu überleben versuchte. Insofern bieten seine Lithografien einen scharfsinnigen Einblick in eine Zeit, in der jederzeit wieder eine Revolution ausbrechen konnte.
Das Kupferstichkabinett hat in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von lithografierten Karikaturen von Daumier digitalisiert und wissenschaftlich aufgearbeitet. Ein grosser Teil dieser Bestände gelangte aus einer bedeutenden Privatsammlung nach Basel: Der amerikanische Kunsthistoriker und Sammler Carl Otto Schniewind (1900–1957) hatte in jungen Jahren zum Zweck des Selbststudiums eine grosse Zahl Lithografien des französischen Karikaturisten zusammengetragen. Zahlreiche Blätter erwiesen sich nun in der Aufarbeitung als vorzügliche Drucke auf dickerem Papier, die nicht aus Zeitungen ausgeschnitten worden waren, sondern als Sammlerstücke separat angeboten wurden. Auch andere Sammler im In- und Ausland trugen Daumier-Karikaturen zusammen, welche um die Jahrhundertwende den Weg in die Bestände des Kupferstichkabinetts fanden.