Otto Freundlich (1878–1943) kannte alle und kannte alles. Kaum ein Künstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich so leidenschaftlich mit den unterschiedlichen Strömungen der Kunst auseinandergesetzt. Persönliche Bekanntschaft, oft auch Freundschaft verband ihn mit den führenden Künstlern fast aller Strömungen der Avantgarde – Expressionismus, Fauvismus, Kubismus, Orphismus, Dadaismus, De Stijl, Bauhaus und den Abstrakten. An gegenseitiger Beeinflussung hat es nicht gefehlt. Und doch verfolgte Freundlich mit seinen Gemälden und Skulpturen, mit seinen Mosaiken und Glasmalereien einen ganz eigenen Weg.
Die Ausstellung Otto Freundlich – Kosmischer Kommunismus will die Arbeits- und Lebenswege Otto Freundlichs abschreiten und die Entwicklung seines künstlerischen und philosophischen Denkens nachvollziehen. Sie lenkt den Blick auf das Werk eines Künstlers, dem die Nazis den Krieg erklärt hatten: Ein beträchtlicher Teil seiner Kunst wurde von ihnen vernichtet, Freundlich zuletzt in einem Vernichtungslager umgebracht. Sein bekanntestes Werk ist bis heute die Plastik „Grosser Kopf“ (1912); sie prangte auf dem Umschlag des Ausstellungsführers zur NS-Schau „Entartete Kunst“. Die Retrospektive weist nach, dass die Nazis nicht nur den Titel des Werks fälschten (sie gaben ihm den noch heute üblichen Titel „Der neue Mensch“), sondern auch die Skulptur selbst: Auf mindestens einer Station der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ stellten sie statt des Originals eine plumpe Nachbildung aus.
So politisch aktiv und entschlossen Freundlich war, orientierte er sich nicht an den Kämpfen des Tages, sondern an utopischen Entwürfen. Leitend ist in seinem Œuvre ein alles umfassender Universalismus, den er „kosmischer Kommunismus“ nannte. Mit Freundlichs Verfolgung in Deutschland ist auch ein grosser Teil der frühen Werke verloren gegangen. Allein in der Aktion „Entartete Kunst“ wurden 14 Werke konfisziert. Das in Frankreich verbliebene Werk Freundlichs wurde von einigen Unterstützern auch nach seinem Tod bewahrt und schliesslich in eine Stiftung im Museum Pontoise bei Paris eingebracht.
Die vom Museum Ludwig in Köln konzipierte und nun im Kunstmuseum Basel gezeigte Ausstellung versammelt rund 50 Werke. Die Retrospektive mit zum Teil faszinierenden neuen Forschungsergebnissen macht Freundlichs Werkentwicklung von 1909–1940 nachvollziehbar.
Die sicherlich treuste Unterstützerin Otto Freundlichs war die Basler Lehrerin Hedwig Muschg, die er 1927 in Paris kennenlernte. Hedwig Muschg war die Halbschwester des Schriftstellers Adolf Muschg. Sie schickte dem mittellosen Künstler unentwegt Geld von ihrem knappen Gehalt und versuchte, seine Bilder in der Schweiz zu verkaufen. Als Zeichen des Dankes schickte ihr Freundlich Arbeiten, die sie nach seinem Tod verkaufte. So gelangte eine Gouache an den ehemaligen Direktor des Kunstmuseums Basel Georg Schmidt persönlich (heute Privatbesitz) und ein grosses Ölgemälde ans Kunstmuseum Basel. Zusätzlich erwarb das Kunstmuseum Basel eine Tempera auf Holz und ein Pastell aus der Schenkung Marguerite Arp-Hagenbachs.
Otto Freundlich stammte aus einer jüdisch-assimilierten Familie in Stolp, Pommern (heute Polen). Nach einer kaufmännischen Ausbildung in Hamburg studierte er drei Semester Kunst-geschichte in Berlin und München. Um 1906 begann er mit eigenen Arbeiten. 1908 liess er sich in Paris nieder, wo er Picasso kennenlernte. In den folgenden Jahren war Freundlich zwischen Paris, Hamburg, München, Berlin und Köln unterwegs. Freundlich war mit zahlreichen Menschen aus der Kunstwelt, vor allem aber mit Künstlern befreundet. Besonders wichtige Unterstützer waren neben Hedwig Muschg der Kölner Sammler Josef Feinhals und der Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg, Max Sauerlandt, der wichtige Werke erwarb, die 1937 beschlagnahmt wurden und – bis auf ein kürzlich wieder aufgetauchtes – bislang als verschollen gelten. Nach 1924 lebte Freundlich überwiegend in Paris. Als die Nazis in Frankreich einmarschierten, floh der Künstler in die Pyrenäen. Im Alter von 65 Jahren wurde er denunziert und deportiert. Wenn er nicht schon auf dem Transport starb, wurde Otto Freundlich im Vernichtungslager Sobibór umgebracht.
Eine Ausstellung des Museum Ludwig Köln in Kooperation mit dem Kunstmuseum Basel.