Das Kunstmuseum Basel | Gegenwart zeigt eine Einzelausstellung der Künstlerin Joëlle Tuerlinckx, für deren Realisierung sich die 1958 geborene Brüsselerin eingehend mit dem Museum und dessen Basler Kontext beschäftigt hat. Während dieses Prozesses ist eine bedeutende Anzahl neuer Werke entstanden, die im gesamten Erdgeschoss des Hauses präsentiert werden. Darunter eine Serie kreisförmiger Assemblagen aus Materialien wie Papier, Textil, Kunststoff, Farbe und Plexiglas, die wie Scheiben auf dem Boden des Museums verstreut liegen. Ihre Motive basieren auf Notizen oder Fundstücken aus dem Alltag – eine banale Papp-Tortenunterlage beispielsweise. Deren goldene Aluminium-beschichtung verwandelt Tuerlinckx für die Ausstellung in einen Farbkreis von mehr als vier Metern Durchmesser, der ein Nachdenken über Gold, Geld, Farbe und Wert provoziert.
Tuerlinckx' Kunst basiert auf der lang anhaltenden Auseinandersetzung mit einfachen Dingen; Fundstücke oder Gebrauchsgegenstände, die ihren Weg kreuzen und von ihr seit drei Jahrzehnten konsequent in einem umfassenden Archiv gesammelt werden. Es handelt sich um Gegenstände, die sie zum Reflektieren über das, was Mensch-Sein bedeutet, inspiriert haben. Die Künstlerin bezeichnet sie als Elemente des Realen. Ihre Arbeit entsteht durch Beobachtung, Erprobung und – wie sie es nennt – Transkription dieser Elemente: einer Form von (Neu-)Lektüre, die die Dinge jenseits ihrer scheinbaren Banalität erfassen und zeigen will. Hierfür setzt Tuerlinckx zahlreiche bildhauerische und malerische Methoden ein, wie zum Beispiel das Kopieren von Gegenständen oder deren Übertragung in ein anderes Material. Dabei spielt sie mit der Verschiebung von Massstäben und der Beschaffenheit von Oberflächen, die sie durch Kolorieren oder Scannen und Nachdrucken manipuliert.
In ihren Ausstellungen arrangiert Tuerlinckx grosse Stückzahlen von Wand- und Boden-objekten, Zeichnungen und Collagen, Vitrinen und Buchserien, Filmen, Videos und Diaprojektionen zu vielstimmigen und spekulativen Ensembles, die Themen der Kunst mit philosophischen Fragen nach dem Wesen und dem Verhältnis von Zeit, Ort und Sprache verbinden.
Durch Einzelausstellungen im Wiels Contemporary Art Centre in Brüssel (2012) und am Münchener Haus der Kunst (2013) wurde dem Werk der Künstlerin in den letzten Jahren grosse Aufmerksamkeit zuteil. Vermehrtes Interesse zog sie bereits 2002 mit ihrem Beitrag auf der zehnten Kasseler Documenta und dem frühen Meilenstein Pas d‘histoire pas d‘histoire (Witte de With, Rotterdam, 1994) auf sich. Mit der von Søren Grammel kuratierten Ausstellung richtet das Kunstmuseum Basel Joëlle Tuerlinckx nun die erste grosse Museumsausstellung im deutschsprachigen Raum ein.