Die Zeichnung des 19. Jahrhunderts umfasst eine Vielfalt von möglichen Formen und Funktionen. Sie war nicht nur Grundlage der künstlerischen Ausbildung, sondern stand im Zentrum der Vermittlung akademischer Werte. Deshalb war die Zeichnung auch der privilegierte Ort, wo ein Künstler seine kritische Haltung gegenüber der akademischen Tradition zum Ausdruck bringen und Stellung beziehen konnte. Bereits mit Friedrich Overbeck und anderen Nazarenern am Anfang des Jahrhunderts begannen Künstler gezielt auf selbst gewählte Vorbilder zurückzugreifen. Um eigene Positionen entwickeln zu können, mussten sich Künstler der kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des Mediums Zeichnung stellen.
Anhand von Skizzen, Studien und bildmässig ausgearbeiteten Zeichnungen aus der Sammlung des Kupferstichkabinetts Basel kann beobachtet werden, welche Traditionen aufgenommen und erneuert werden – wie beispielsweise das Kopieren nach alten Meistern. Es wird aber auch deutlich, wo Zeichner neue Wege einschlugen, das heisst neue individuelle Formen entwickelten und damit die künstlerischen Mittel von einer dem Bildgegenstand dienenden Funktion zunehmend befreiten. Der Bogen wird von Klassizismus und Romantik (Füssli, Carstens, Friedrich, Ingres und Delacroix) bis zum jungen Picasso gespannt, der um 1906/07 durch seine Beschäftigung mit Ingres’ Klassizismus die eigenen spätsymbolistischen Anfänge hinter sich lassen konnte. Das Nebeneinander von deutschen, französischen und Schweizer Zeichnungen ermöglicht interessante Vergleiche, das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten, Parallelen, aber auch Unterschieden.