Diese erste Retrospektive des amerikanischen Künstlers Donald Judd seit seinem Tod 1994 führt wichtige Werkkomplexe aus zahlreichen amerikanischen und europäischen Museums- und Privatsammlungen zusammen. Gezeigt werden rund vierzig, mehrheitlich raumgreifende und vielteilige Werke, die zwischen 1961 und 1993 entstanden sind.
Die in Zusammenarbeit mit Tate Modern, London, und der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, entstandene Ausstellung jetzt in Basel zu zeigen, macht besonders Sinn. Der Zeitpunkt ist ideal, eine neue Sichtung und Diskussion des höchst einflussreichen künstlerischen Werkes dieses Hauptvertreters der Minimal Art zu unternehmen. Das Kunstmuseum Basel hat sich früh für Judd engagiert und rund um das 1969 entstandene Schlüsselwerk „Untitled (six cold rolled steel boxes)“ eine bedeutende Werkgruppe aufgebaut.
Die künstlerischen Wurzeln des 1928 in Excelsior Springs, Missouri, geborenen Künstlers liegen in der Malerei. Die Ausstellung beginnt im Kunstmuseum mit Bildern aus den frühen 60er Jahren, in die teilweise dreidimensionale Objekte integriert sind, um eine nicht illusionistische räumliche Tiefe zu erreichen. Diese reliefartigen Gemälde springen in kompakter Materialität von der Wand vor, um sich schliesslich von ihr zu lösen zugunsten von frei im Raum stehenden Arbeiten. Eine bemerkenswerte Gruppe solch handgefertigter und mit Ölfarbe bemalter Raumvolumen aus Holz, die zwischen 1962–64 entstanden ist, legt bereits Judds Entwicklung eines wegweisend neuen Vokabulars von reduzierten dreidimensionalen Körpern klar. Dieses liess er im weiteren – ohne die Präsenz handwerklicher Spuren – aus industriellen Materialien wie galvanisiertem Eisen, Stahl, Kupfer, Plexiglas oder Sperrholz produzieren. Judd sah in seiner Arbeit einen solch grossen Bruch mit der europäischen Kunsttradition, dass er es vorzog, für seine Arbeiten – Formen der Skulptur zwischen traditioneller Plastik und Architektur – den Begriff „specific objects“ zu verwenden, den er 1964 in seinem gleichnamigen Essay einführte.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Judds berühmt gewordene Konstellationen aus einfachen Kuben und Quadern, die als Boden- oder Wandstücke konzipiert sind. Zu sehen sind beispielsweise eine singuläre Bodenbox aus bernsteinfarbenem Plexiglas und zwei seitlichen Platten aus rostfreiem Stahl sowie serielle Reihungen von standardisierten Elementen. So ragen in den sogenannten „stacks“ identische Schachtelformen in den Raum und besetzen in vertikaler Anordnung die Raumhöhe, wobei die Abstände die gleichen Masse haben wie die Elemente selbst. „Progressions“ aus poliertem oder farbig eloxiertem Aluminium erstrecken sich wiederum in extremer horizontaler Ausdehnung über eine Wand und variieren nachvollziehbare Ordnungen verschiedener Zahlenreihen. Trotz rigoroser struktureller Klarheit entstehen vielschichtige Wechselwirkungen von offenen und geschlossenen Volumen, Binnen- und Aussenformen, transparenten und kompakten Oberflächen. Mit grosser sinnlicher Kraft werden Zwischenräume, die Architektur des Ortes und – dies ist entscheidend – die Wahrnehmung des Betrachters aktiviert.
Anlässlich der Ausstellung „Skulptur im 20. Jahrhundert“ im Merian Park in Basel schuf Judd 1984 eine „Aussenskulptur“ und liess sie in der Schweiz erstmals aus gebogenen und emaillierten Aluminiumblechen produzieren. In stark kontrastierender Farbigkeit wurden die einzelnen Elemente sichtbar zu einem riesigen Block verschraubt, der einen Hohlraum umschloss. Masse und Gewicht wurden durch Konstruktion und Farbe ersetzt. Diese Arbeit ist zwar zerstört, bildete aber den Anfang eines neuen Kolorismus, der insbesondere im zweiten Teil der Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst zum Ausdruck kommt. Wichtige Boden- und Wandstücke der 80er und frühen 90er Jahre schaffen dort faszinierende Relationen zwischen plastischem Volumen und Architektur, Material, Farbe und Licht.
Donald Judd lebte ab 1977 vor allem in Marfa, Texas, wo er Land und mehrere Gebäude erworben hatte, um abseits des Kunstbetriebes sein Werk auf exemplarische Weise zu installieren. In Marfa wird denn auch die immense Bedeutung augenfällig, die Judd dem Raum für seine Kunst beimass. Donald Judd war nicht nur bildender Künstler, sondern hatte auch als Künstler-Kritiker bestimmte künstlerische Entwicklungen der amerikanischen Kunst aufmerksam und kritisch begleitet, vor allem die Positionen von Barnett Newman, Jackson Pollock, Jasper Johns, Dan Flavin und John Chamberlain. Parallel zur Judd-Retrospektive kommen sowohl im Kunstmuseum Basel als auch im Museum für Gegenwartskunst mittels der Präsentation von Werken aus der eigenen Sammlung aufschlussreiche Zusammenhänge zum Ausdruck.