Vorbemerkung
Der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt hat im Rahmen der Umsetzung der Betriebsanalyse im Jahr 2017 eine Erhöhung des Globalbudgets des Kunstmuseums Basel über rd. 2 Mio. Franken bewilligt. Damit sollte unter anderem die neu zu bildende Abteilung Provenienzforschung anteilig finanziert werden. Mit zusätzlicher Unterstützung der Ernst-Göhner-Stiftung hat das Kunstmuseum Basel die Abteilung Provenienzforschung aufbauen können. Sie soll langfristig die Erforschung der Provenienzen der Werke aus der Sammlung garantieren. Parallel zur Etablierung der Abteilung hat das Bundesamt für Kultur (BAK) verschiedene Einzelprojekte gefördert, darunter die Untersuchung der Eingänge in die Gemäldegalerie der Jahre 1933–1945, 1946–1962 und 1962–1980 sowie der Zeichnungseingänge ins Kupferstichkabinett der Jahre 1933–1945 und die Zugänge in den Druckgrafikbestand von 1933–1942. Die Kunstkommission und das Kunstmuseum haben sich mit den massgebenden Rechtsquellen für „gerechte und faire Lösungen“ im Sinne der Washingtoner Erklärung ausführlich beschäftigt. Neben diesen grundlegenden Prinzipien finden die Grundsätze von ICOM sowie die Standards des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) Anwendung. Die Erklärung von Terezín wird mitberücksichtigt; die sogenannte Handreichung der deutschen Regierung als Orientierungshilfe beigezogen.

1. Systematische Überprüfung des Sammlungsbestands
Die Priorität der Überprüfung liegt auf der Klärung der Vorgeschichte derjenigen Kunstwerke im Besitz der Öffentlichen Kunstsammlung Basel, die vor 1945 entstanden sind und nach 1933 in die Sammlung gelangten. Es soll vermieden werden, dass sich Kunstwerke mit einem NS-verfolgungsbedingten Entziehungshintergrund unerkannt im Sammlungsbestand befinden. Im Fokus der Arbeit standen bisher die vom BAK unterstützten Einzelprojekte. Auch nach Auslaufen der Förderzahlungen durch das BAK sollen diese Überprüfungen kontinuierlich fortgeführt werden. Dafür ist das Einwerben von Drittmitteln nötig, da mit lediglich einer festen Stelle der Recherchebedarf nicht erfüllt werden kann. Die Untersuchungsergebnisse gehen als Information in die
Objektverwaltungsdatenbank „Museum Plus“ ein und stehen so allen Mitarbeiter:innen des Hauses zur Verfügung. Kommen Projekte zum Abschluss, werden die Forschungsergebnisse final über die Sammlung Online publiziert.

2. Proaktives Vorgehen bei Verdacht auf NS-Raubkunst (problematische Fälle/BAK-Kategorie C und D)
Das Kunstmuseum Basel unterzieht Kunstwerke der BAK-Kategorien C und D (ungeklärte Lücken im Zeitraum 1933–1945 respektive begründeter Verdacht auf einen NS-verfolgungsbedingten Verlust) aus
eigenem Antrieb einer Tiefenrecherche. Nach Abschluss dieser Prüfung wird im erwiesenen Belastungsfall die Suche nach mutmasslichen Anspruchsteller:innen gestartet (Erbenrecherche). Diese werden proaktiv vom Kunstmuseum bzw. der Kunstkommission kontaktiert, um eine „gerechte und faire Lösung“ für das betreffende Kulturgut zu suchen. Restituierte und anschliessend zurückerworbene Kunstwerke bleiben mit der Geschichte der jüdischen Vorbesitzer im Gedächtnis des Museums verankert (Erinnerungskultur). Bei von aussen an das Museum herangetragenen Ansprüchen reagiert das Museum nach Klärung der Berechtigung des Anspruchs äquivalent.

3. Transparenter und lösungsorientierter Umgang mit „Fluchtgut“/NS-verfolgungsbedingte Verluste
Das Kunstmuseum Basel erklärt, dass Emigrant:innenverkäufe in der Zeit zwischen 1933 und 1945 seiner besonderen Aufmerksamkeit unterliegen. Sie werden in den kommenden Jahren priorisiert tiefenerforscht. Im Falle der offensichtlich ausschliesslich der Emigration geschuldeten Veräusserung eines Kunstwerks (kurzfristiger Abstoss, keine freie Verfügbarkeit über den Erlös, geringer Zahlungspreis, Notwendigkeit des Verkaufs zum Überleben), ist das Haus gemäss den 1998 von der Schweiz anerkannten Washingtoner Prinzipien bereit, etwaige Erben ausfindig zu machen, sie entsprechend zu informieren und nach einvernehmlichen, „gerechten und fairen Lösungen“ zu suchen.

4. Konsequente Überprüfung von Neuzugängen, die vor 1945 entstanden sind
Sämtliche Neuerwerbungen, inklusive Legaten, Schenkungen und Deposita, deren Entstehungsdatum vor 1945 datiert, werden im Kunstmuseum Basel vor der Übernahme durch die Abteilung Provenienzforschung geprüft, um zu vermeiden, dass Werke, die Gegenstand von NS-verfolgungsbedingten Vermögensverlusten waren, unbemerkt in die Sammlung eingehen. Dabei ist anzustreben, dass nur Objekte in den Museumsbestand integriert werden, für die in der Provenienz keine Verdachtsmomente vorliegen. Für den Fall, dass bei umfangreichen Schenkungen/Legaten/Deposita eine zeitnahe, intensive Prüfung aller Werke nicht möglich ist, erfolgt die Aufnahme vorerst provisorisch unter Vorbehalt.

5. Überprüfung der Objekte der eigenen Sammlung vor Präsentation in Ausstellungen (intern/im eigenen Haus und extern/in auswärtigen Präsentationen im In- und Ausland)
Das Kunstmuseum Basel unterzieht Objekte des eigenen Bestands, bevor sie in hauseigenen oder externen Sonderausstellungen präsentiert werden, einer Prüfung, um einer möglichen unvorbereiteten Anspruchsanmeldung (Inland) oder einer Festsetzung des betreffenden Objekts aufgrund einer einstweiligen Verfügung (Ausland) zuvorzukommen. Die verschiedenen Abteilungen des Hauses leiten der Abteilung Provenienzforschung Kunstwerke mit etwaigen Provenienzlücken oder ungeklärten Verkaufsstationen zwischen 1933 und 1945 mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf zu, damit hier eine Prüfung erfolgen kann, bevor die Objekte in den jeweiligen Ausstellungskontext integriert werden.

6. Offener Umgang mit der Thematik „Entartete Kunst“, „Fluchtgut“, „Provenienzforschung“, „Sammlungsgeschichte“, „Enteignung“, „Restitution“
Das Kunstmuseum Basel führt Ausstellungen und Veranstaltungen zu den Themen „Entartete Kunst“, „Fluchtgut“, „Provenienzforschung“, „Sammlungsgeschichte“, „Enteignung“ und „Restitution“ durch. Bei diesen arbeiten die Angestellten der Abteilung Provenienzforschung aktiv mit den Kurator:innen und der Abteilung Programme/Bildung & Vermittlung zusammen, um den Besucher:innen die historischen Zusammenhänge und die individuellen Objektgeschichten so transparent, politisch neutral und präzise wie möglich darzulegen. Auch durch Führungen, Publikationen, Vorträge und eigene Ausstellungsprojekte wird das in dieser Abteilung am Haus generierte Wissen an interessierte Besucher:innen gebracht.

7. Optimale fachliche Vernetzung der Provenienzforscher:innen innerhalb der Schweiz und international
Das Kunstmuseum Basel unterstützt die internationale Vernetzung der Wissenschaft und befürwortet den internationalen Informationsaustausch. Sämtliche Mitarbeiter:innen der Abteilung Provenienzforschung sind sowohl Mitglieder des Schweizerischen Arbeitskreises Provenienzforschung (SAP/ASP), als auch im international aufgestellten Arbeitskreis Provenienzforschung e.V. assoziiert. Sie erfüllen die etablierten Standards des wissenschaftlichen Arbeitens.

Die Kunstkommission hat von den Richtlinien in ihrer Sitzung vom 29. Juni 2022 zustimmend Kenntnis genommen. Die Geschäftsleitung des Kunstmuseums hat diese Richtlinien in ihrer Sitzung vom 5. September 2022 verabschiedet.