Wer verstehen will, wie Basel zu einem Zentrum moderner Kunst in der Schweiz wurde, wird nach der Modernisierung der Stadt selbst in derselben Zeit Umschau halten. Fotografien zählen für uns Heutige zu den wichtigsten Zeugnissen dieses in der Zwischenkriegszeit vollzogenen Prozesses: Wirtschaft und Verkehr, privates und öffentliches Leben, Kultur und Mode und natürlich das bauliche Erscheinungsbild der Stadt veränderten sich in grossem Tempo, und alles das war begleitet von politischen Auseinandersetzung um die Erhaltung alter und Durchsetzung neuer Werte. Fotografien können vieles davon besser bezeugen als irgendeine andere Quellengattung, durch ihr Verhältnis zum tatsächlich Gegebenen und durch die Betrachtungsweise, von der sie zeugen.
Viele Städte sind im Gedächtnis der Nachwelt mit bestimmten Fotografen oder Fotografinnen, die sich zu Chronisten dieser Entwicklung machten, eng verbunden. Basel hatte einen solchen Chronisten in Lothar Jeck. In dieser Stadt hat er wie kein zweiter dafür gesorgt, dass sich modernes Leben in Bildern abzeichnete. Er hatte sich das Fotografenhandwerk als Aushilfe in einem örtlichen Betrieb angeeignet, sich aber nach ersten Erfolgen bald selbständig gemacht. Vor allem entdeckte er bald, auf welche Themen es ankam. Aufträge von Kunden, die ins Ladengeschäft kamen, halfen da nicht: Wie fast alle herausragenden Fotografen der Moderne suchte er sich seine Gegenstände selbst aus. Bis heute werden Bilder von Jeck immer wieder nachgedruckt; das zeugt von seinem Spürsinn für die nennenswerten Ereignisse und Gegebenheiten.
Jeck fotografierte Baustellen in der Basler Innenstadt und den Güterumschlag im Hafen Rheinfelden, Arbeiter, Arbeitslosigkeit und Demonstrationen aus der Zeit des Arbeitskampfs, die Herbst- und die Mustermesse, den Besuch eines Zeppelin-Luftschiffs und eine Flugschau, Massensportveranstaltungen und Variété-Unterhaltung, die Stars und das Publikum, aber auch Flüchtlinge, Anbauschlacht und Winterhilfe im Zweiten Weltkrieg. Er war gewiss auch ausserhalb seiner Heimatstadt unterwegs, sei es 1936 bei der Olympiade in Berlin oder 1939 auf der Landi in Zürich. Aber die für spätere Betrachter kostbarsten Bildzeugnisse hat er gewissermassen gleich vor der Haustür geschaffen.
In seiner Arbeit als Berichterstatter nutzte Jeck die Möglichkeiten moderner Kameratechnik für neue Sichtweisen aus. Überhaupt zeugt seine Bildsprache von denselben Vorlieben, die damals auch andernorts modern gesinnte, zu Schrittmachern der modernen Bildberichterstattung gewordene Fotografen pflegten. Damals dachte Jeck noch vorwiegend an die Leserschaft illustrierter Zeitschriften, wenn er ein Thema bearbeitete; er hat aber mit dazu beigetragen, dass die fotografische Reportage auch im Museum gut aufgehoben ist. Die Ausstellung des Kunstmuseums Basel will das eine und das andere zeigen: Den Zusammenhang von Jecks Arbeit mit der grossen Blüte der illustrierten Zeitschriften und die Qualität seiner Einzelbilder.