17 Sept. 2020

Die Führungsreihe «Inspired by her» zu aktuellen weiblichen Positionen im Kunstmuseum Basel führt uns mit diesem Beitrag zu Maria Lassnigs Gemälde "Die uneheliche Braut"

Maria Lassnig (1919- 2014); Die uneheliche Braut, 2007

Zeichnungen und Aquarelle der österreichischen Künstlerin waren zuletzt 2018 in der Ausstellung «Maria Lassnig - Zwiegespräche» im Kunstmuseum Basel zu sehen. Als Pionierin einer weiblich konnotierten Kunst hatte sie sich, lange bevor Genderfragen aufkamen, schon damit auseinandergesetzt, dennoch wurde sie erst im hohen Alter international gewürdigt. Der Begriff «body awareness» ist unauflöslich mit ihrem Werk verbunden. Farbe wird zum direkten Ausdruck ihrer Körperwahrnehmung. In ihren Tagebüchern spricht sie von Gedanken-, Schmerz- und Qualfarben, von Angst-, Todes- und Nervenstrangfarben. In unzähligen Selbstbildnissen erforschte sie seit 1948 ihr Körperbewusstsein im Sinne einer weiblichen Emanzipation und drückte ihre Skepsis gegenüber tradierten Rollenbildern und Geschlechterbeziehungen aus. Rätselhaft, humorvoll und auch oft verstörend zeigt sie sich als weiblicher Laokoon oder kickende Nonne. Obwohl meist verzerrt und deformiert gemalt bleibt sie immer erkennbar. Im Film Kantate von 1992 intoniert sie, in der Art eines Moritatenliedes, ihre Lebensgeschichte. Dabei tritt sie in wechselnden Verkleidungen vor ihren Gemälden auf und verwandelt sich vom Punk zur Freiheitsstute, zur Femme fatale und auch zur Braut. Doch der kecke Anschein und die beissende Ironie der Performance können nicht über die Brüche in ihrem Lebensweg hinwegtäuschen.

Das Gemälde «Die uneheliche Braut» wurde 2013 vom Kunstmuseum Basel angekauft und zeigt eine überlebensgrosse nackte Frau. Sie ist frontal, bis zu den Knien, dargestellt und mit einem langen Schleier teilweise verhüllt. Das Gesicht mit geschlossenen Augen, liegt im Schatten, ist in düsterem Bordeauxrot gemalt und hebt sich von einem hellen Fenster ab. Während das Licht die rechte Körperseite mit einer langgezogenen Brust freilegt und den Schleier bläulich weiss aufleuchten lässt, ist die linke Hälfte und der übrige Raum in tiefes Schwarzrot getaucht.

Das Werk gehört zu den sogenannten «Kellerbildern», einer Reihe von Braut- und Hochzeitsthemen, die Mitte 2000er in ihrem Haus in Feistritz, entstehen. Wenn es im Sommer sehr heiss wurde, verlegte die Künstlerin ihr Atelier in den Keller. In dieser Zeit arbeitete sie mit einem jungen Paar als Modell, das sie mit transparenter Plastikfolie einkleidete und mit starken Scheinwerfern beleuchtete. Zusammen mit zwei kleinen Kellerfenstern im Hintergrund und dem Kunstlicht, das unruhige Reflexe auf der Folie warf, entstand so eine eigentümliche Farbstimmung. Mit der Kamera machte die Künstlerin Aufnahmen, die ihr später als Inspiration für ihre Bilder dienten. Ein ungewöhnliches Vorgehen für Lassnig, die vor allem mit Tageslicht und ohne fotografische Vorlage malte. Zur gleichen Werkgruppe gehören u.a. auch «Die Braut badet den Bräutigam» (2005), «Macht des Schicksals» (2006) oder «Lady in Plastik» (2005).

Das Bildnis der «unehelichen Braut» ist wie alle Bilder von Lassnig in einem gewissen Sinne eine Selbstdarstellung, auch wenn das Modell Lisa Resch war. Schon in den 60iger und 70iger Jahren hatte Lassnig den transparenten Kunststoff in New York für sich entdeckt und malte nicht nur in Zellophan eingeschweisstes Obst, sondern auch zwei eindrückliche Selbstporträts unter Plastik. Die Folie kann verschiedene Bedeutungen evozieren. Sie kann als Gefängnis, als Schutz, als Marien- oder jungfräulicher Brautschleier wirken oder auch, als Konservierung des Lebendigen, zu einer Vergänglichkeitsmetapher werden. Gleichzeitig entsteht ein Innen und Aussen, ein Raum im Bildraum für den verletzlichen Körper. Die geschlossenen Augen deuten die Introspektion an. Vielleicht ein Blick zurück der 87jährigen Künstlerin? Mit dem Titel, «Die uneheliche Braut», kommt auch eine biographische Komponente ins Spiel - die Geburt von Lassnig als uneheliches Kind im katholischen Kärnten. Darauf verweist insbesondere die eigenhändige Bezeichnung oben rechts im Bild, «illegitimate Mother». Eine uneheliche Mutter und Braut zugleich? Beides war die Künstlerin nie, die sich zugunsten ihrer Kunst und Freiheit der Ehe verweigert hatte. So ist die uneheliche Braut ein mehrschichtiges, mit vielen Assoziationen versehenes, Fazitbild.

Autorin: Iris Kretzschmar, Kunsthistorikerin, Kunstvermittlerin und freie Autorin