29 Juni 2020

Die Anbetung der Könige ist ein beliebtes Bildthema des Mittelalters und der frühen Neuzeit, doch lässt sich in ihrer Darstellungsweise eine deutliche Veränderung beobachten, die Fragen aufwirft.

Die ursprünglichen Quellen erzählen von Weisen oder „Magiern“ aus dem Morgenland, die Christus nach seiner Geburt besuchten und ihm Gold, Myrrhe und Weihrauch brachten, doch wird Ihre Anzahl oder genaue Herkunft nicht spezifiziert. Erst etwa im dritten Jahrhundert wird interpretiert, dass es sich um Könige handelte, aufgrund der Kostbarkeit ihrer Geschenke, und dass es derer drei gewesen sein müssten, entsprechend der Anzahl an Geschenken. Etwa im sechsten Jahrhundert erhielten sie die Namen Caspar, Melchior und Balthasar und wurden den drei Kontinenten Europa, Asien und Afrika zugeschrieben. Welcher der Könige von welchem Kontinent gekommen sei, ist jedoch nicht gänzlich geklärt. Es wurde damit in erster Linie betont, dass die gesamte damals bekannte Welt dem Christuskind huldigte.

Trotz früher Beschreibung der verschiedenen Herkunft der Könige, stellen die Europäischen Künstler noch viele Jahrhunderte lang alle drei gleich dar. Eine Tafel unserer Sammlung aus dem frühen 15. Jahrhundert zeigt dieser Ikonographie entsprechend drei Könige, die sich zwar im Alter unterscheiden, sich sonst aber sehr ähnlich sind. Der Älteste kniet vor dem Jesuskind, dahinter stehen die beiden anderen, der eine mittleren Alters, der andere etwas jünger, mit je einer Krone, die sich lediglich in der Farbe voneinander unterscheiden.

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts aber ändert sich diese einheitliche Wiedergabe der drei Könige. Plötzlich begegnen wir Werken, die den König aus Afrika mit dunkler Haut zeigen. Zu den ganz frühen Darstellungen dieser Art zählt eine Tafel von ca. 1490/1500, die bis vor Kurzem noch Albrecht Dürer zugeschrieben wurde, und ein etwa 10 Jahre jüngeres Blatt aus Hans Holbein d. Ä. Umkreis widmet sich der neuen Darstellung des afrikanischen Königs auf zeichnerische Weise. Ab dem frühen 16. Jahrhundert wird es bald zur neuen Norm, den König aus Afrika mit dunkler Haut darzustellen. Weitere Beispiele, die derzeit im Museum ausgestellt sind, stammen aus dem Umkreis des Hans Baldung gen. Grien, von Noël Bellemare oder Frans II. Francken.

Sucht man nach Erklärungen für diesen ikonographischen Wandel am Ende des 15. Jahrhunderts, stellt sich heraus, dass der neuerdings dunkelhäutig dargestellte König eine paradoxe Figur ist. Er demonstriert einerseits eine gewisse Offenheit Europas gegenüber dem fremden Kontinent, in einer Zeit, in der Europäische Kirchenvertreter Delegierte aus Afrika nach Florenz und Rom einluden. Andererseits aber begannen in demselben Zeitraum die Portugiesen mit dem Menschenhandel an der Westafrikanischen Küste, der tausende von Sklaven nach ganz Europa brachte. Somit drängt sich die Frage auf, wer wohl jeweils visuelle Inspirationsquelle des Künstlers gewesen sein mag bei der Darstellung des afrikanischen Königs – Der Gedanke, dass es ebenjene afrikanischen Sklaven waren, wird den Bildbetrachter nicht gänzlich unbefangen lassen.

Autorin: Seraina Werthemann, Kunsthistorikerin und Kunstvermittlerin