16 Apr. 2020

Im Kunstmuseum Basel gibt es zahlreiche Objekte, die je nach Blickwinkel als kontrovers wahrgenommen werden können. Dazu gehören zum Beispiel die Werke Entarteter Kunst aus den Ankäufen des Jahre 1939.

Besucht man im zweiten Stock des Hauptbaus die Sammlung der Klassischen Moderne, so stellt man fest, dass herausragende Werke deutscher Künstler des frühen 20. Jahrhunderts in einer ungewöhnlichen Dichte vertreten sind. Ein grosser Teil davon gelangte 1939 nach Basel, als der neue Museumsdirektor Georg Schmidt ein sagenhaftes Konvolut von 21 Werken der „Entarteten Kunst“ für das Kunstmuseum ankaufte – diese Ankäufe werden auch in der Präsentation Sammlungsmomente entsprechend ausgewiesen und ihre Geschichte beschrieben. Sie waren zuvor aus deutschen Museen beschlagnahmt worden und für den Verkauf ins Ausland vorgesehen. Geschickt jonglierte Georg Schmidt zwischen den Angeboten verschiedener Vermittler in Berlin und der berühmten Auktion in Luzern, um für das Kunstmuseum Basel das bestmögliche Resultat zu erzielen.

Um den Ankauf finanzieren zu können, war er aber auf einen Sonderkredit der Basler Regierung angewiesen. Selbstverständlich gab es kritische Stimmen, die betonten, dass die bestehenden Staatsschulden einen solchen Kredit verbieten. Zudem würde bei dem Vorhaben die Schweizer Kunst vernachlässigt, und generell solle sich das Museum eher auf bestehende Werte, sprich auf Alte Meister konzentrieren. Doch Schmidt argumentierte, dass der 1936 eben erst eröffnete moderne Museumsbau mit entsprechendem Inhalt gefüllt werden müsse, und für diesen Ankauf aus Deutschland sprach die ausgezeichnete Qualität der angebotenen Werke zu attraktiven Preisen. Schmidts Überzeugungsargument war die Basler Karte: Für das Kunstmuseum Basel böte sich hier die einzigartige Gelegenheit, mit einem Schlag internationalen Rang zu erlangen auf einem Gebiet, auf dem das Museum bisher völlig ausfiel, nämlich der Klassischen Moderne. Hauptwerke namhafter Künstler standen zum Verkauf, darunter Franz Marcs Tierschicksale oder Oskar Kokoschkas Windsbraut, aber auch Paula Modersohn-Beckers Selbstbildnis als Halbakt mit Bernsteinkette II oder Lovis Corinths letztes Gemälde Ecce Homo. Schmidt versicherte, dass Basel mit einem umfangreichen Ankauf für alle Zeiten seinen fortschrittlichen Geist unter Beweis stellen könne. Und er sollte recht behalten: Mehrere Werke aus diesem Konvolut zählen heute zu den absoluten Highlights der Sammlung.

Neben dem strategischen Sammlungsausbau verfolgte Schmidt auch einen kulturpolitischen Gedanken, nämlich den Einsatz für die gebrandmarkte Kunst. Man wolle ein Exempel statuieren, diese verbannte Kunst direkt hinter der deutschen Grenze als museumswürdig auszustellen und ihr eine neue Heimat zu geben. Der Ankauf wurde schliesslich als „Rettungsaktion“ und Georg Schmidt als „Fluchthelfer“ gefeiert.

Doch trotz dieser Vorbildlichkeit kommt man nicht umhin festzustellen, dass das Kunstmuseum Basel ganz offensichtlich von einer prekären Situation profitierte. Und der damals international diskutierte Kritikpunkt, man könne Deutschland keine Kunst abkaufen, da der Erlös zu Rüstungszwecken verwendet würde, schien erstaunlicherweise bei der Diskussion in Basel keine grosse Rolle zu spielen. Nur am Rande erwähnt Georg Schmidt, man tausche ewiges Kulturgut gegen rasch veraltende Kanonen. So lässt sich aus heutiger Perspektive durchaus auch ein kritischer Blick auf diesen einzigartigen und bedeutungsvollen Moment der Sammlungsgeschichte werfen – wie ihn das Kunstmuseum Basel in einer grossen Sonderausstellung 2022 vornehmen wird.

Autorin: Seraina Werthemann, Kunsthistorikerin und Kunstvermittlerin