11 Apr. 2020

Die Gegenüberstellung von Reinhard Muchas «Walsum» und einer Ikone aus der Sammlung des Kunstmuseums, dem «Toten Christus im Grab» von Hans Holbein d. J., ist ein Experiment, das fragt, inwieweit nicht jede Künstlerin und jeder Künstler ein ‹imaginäres Museum› im Kopf gespeichert hat.

Im Jahr 2017 erwarb das Kunstmuseum Basel Reinhard Muchas Wandskulptur Walsum von 1986 aufgrund ihrer ästhetischen Qualität und ihres exemplarischen Charakters für den Ansatz des Künstlers. Die aktuelle Gegenüberstellung von Walsum und dem Toten Christus im Grab von Hans Holbein d. J. in der Altmeister-Galerie ist ein Experiment der Abteilungen Alte Meister und Gegenwartskunst. Wir fragen, inwieweit nicht jede Künstlerin und jeder Künstler ein ‹imaginäres Museum› im Kopf gespeichert hat – einen Fundus aller im Original oder auf Reproduktionen gesehenen Kunstwerke, die sich von Zeit zu Zeit fragmentarisch und in unterschiedlichen Brechungen, mal offensichtlich, mal verborgen, im eigenen Schaffen widerspiegeln.

Reinhard Muchas künstlerische Arbeit zum Beispiel wurde vor allem durch die Auseinandersetzung mit der Minimal-Art und ihrem Hauptprotagonisten Donald Judd oder mit Joseph Beuys beeinflusst. Zugleich können indes überraschende und interessante formale Analogien zwischen Walsum und dem Toten Christus im Grab beobachtet werden. Walsum erinnert nicht nur mit seiner vorderen Wand an Farbton und Holzoberfläche der heutigen Rahmung des Toten Christus. Vor allem kann man die beiden unvermittelt in die Wand eingelassenen, mit dunklem Filz ausgekleideten Rechtecknischen auf eine höchst erstaunliche Eigenart von Holbeins Schöpfung beziehen: Christus ruht in einem Wandgrab, einer klaustrophobisch engen Nische, wie sie gerade nicht in der Jerusalemer Grabeskirche, wohl aber in römischen Katakomben zu finden ist.

Die weiteren in diesem Kabinett präsentierten Bildbeispiele sollen veranschaulichen, wie einzigartig Holbeins Entscheidung in einer überaus breiten Bildtradition dasteht: Auf praktisch allen anderen Darstellungen der Epoche dient eine freistehende Tumba als Grab des Herrn.

Natürlich kennt Reinhard Mucha den Toten Christus im Grab seit langem – auch aus eigener Anschauung. Was die Kunstgeschichte mittels umfassender Vergleichsreihen deduziert, hat er möglicherweise intuitiv wahrgenommen und in Walsum bewusst oder unbewusst aufgegriffen.

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