07 Apr. 2020

Hans Holbein d.J. war nicht nur einer der bedeutendsten Maler der Renaissance, sondern er schuf auch zahlreiche Vorzeichnungen für Glasgemälde. Nachlesen lässt sich das im Katalog zur Ausstellung "Lichtgestalten", den man in unserem Online Shop bestellen kann.

Hans Holbein d. J. (1497/98–1543) ist der bedeutendste und einflussreichste Künstler, der im Kontext der Schweizer Glasmalerei aktiv war. In Basel und London tätig, gilt der Maler neben Albrecht Dürer als Hauptmeister der Renaissance im Norden. Seine aussergewöhnlichen Tafelbilder und Wandmalereien fanden unter den Zeitgenossen und späteren Generationen höchste Anerkennung. Daneben entfaltete er auch eine äusserst produktive Entwurfstätigkeit und schuf Vorzeichnungen für den Buchdruck, die Gold- und Silberschmiedkunst sowie für die Glasmalerei.

Insgesamt 400 Zeichnungen haben sich von Holbein erhalten, rund 25 davon sind Vorzeichnungen für Glasgemälde, sogenannte Scheibenrisse. 40 bis 50 weitere Entwürfe werden seiner Werkstatt, dem Umkreis und Nachfolgern zugeschrieben. Holbein schuf die Scheibenrisse ausschliesslich als lavierte Federzeichnungen, verzichtete also weitgehend auf Schraffuren und sorgte stattdessen mit grosszügigen Pinsellavierungen für Schatten und Modellierungen. Dabei gelang es ihm meisterhaft, durch den kontrastreichen Wechsel von Hell und Dunkel die plastischen Qualitäten des Gezeichneten herauszuarbeiten und seine Präsenz fast skulptural zu steigern. Man weiss nicht, für welchen Glasmaler Holbein seine Risse schuf, doch deutet vieles darauf hin, dass er mit Antoni Glaser (um 1480/85-1551) zusammenarbeitete, dem seit 1510 führenden Meister auf diesem Gebiet in Basel.

Die frühesten Entwürfe Holbeins entstanden bereits 1517, also noch vor seinem Eintritt in die Himmelzunft, als er vermutlich zusammen mit dem Vater in Luzern mit der Bemalung des Hertenstein-Hauses beschäftigt war. Auch sein Riss mit dem Schweinehirten stammt wohl aus der Luzerner Zeit. Er zeigt den Hirten, wie dieser mit grossen Schritten die Szene betritt und sich dabei aus dem Bild herauswendet, um dem Betrachter einen intensiven Blick zuzuwerfen. Seine Tiere tummeln sich derweil um einen Eichenbaum. Die ärmliche Aufmachung mit den zerrissenen Hosen weist ihn als Teil der bäuerlichen Landbevölkerung aus.

Ein Rundbogen rahmt das Bildfeld ein; unten ist der Übergang wie eine Stufe gestaltet, an der ein leerer Wappenschild lehnt. Holbeins Konzeption dieser rahmenden Architektur verdient besondere Aufmerksamkeit: Sie ist der Szene nämlich so vorgelagert, dass Hirte, Schweine und Baum teilweise überschnitten werden. Dadurch entsteht der Eindruck, dass durch den Rahmen hindurch nur ein kleiner Ausschnitt des Raumes sichtbar wird, während sich die Welt dahinter noch weiter fortsetzt. Ungewöhnlich ist auch das Motiv des Hirten, der weder als Schildbegleiter noch im Kontext einer grösseren Erzählung auftritt. Interpretationen der Darstellung als Teil einer Folge zum Verlorenen Sohn oder zu den Jahreszeiten wären möglich, können aber für diese Zeit durch keine weiteren Werke gestützt werden. Das Blatt weist keinerlei Spuren einer tatsächlichen Verwendung oder späteren Überarbeitung auf – ob ein entsprechendes Glasgemälde jemals ausgeführt wurde, ist ungewiss.

Autorin: Ariane Mensger, Kuratorin Kupferstichkabinett und der Ausstellung "Lichtgestalten"