04 Apr. 2020

Die «Darmstädter Madonna» von Hans Holbein d.J. gilt als eines der bedeutendsten Altmeistergemälde der Welt. Das Bild, das heute in Schwäbisch Hall zu sehen ist, entstand 1526 in Basel. Seine bewegte Geschichte ist eng mit dem Kunstmuseum Basel verbunden.

Die Darmstädter Madonna, ein Auftragswerk des Basler Bürgermeisters Jakob Meyer zum Hasen, verliess die Schweiz im 17. Jahrhundert. Dennoch wurde das Renaissancegemälde als zu Basel gehörig empfunden, gar als ein «nationales Gut» angesehen. Und so zeigte die Stadt Basel immer wieder grosses Interesse an dem für die kulturelle Identität so wichtigen Werk – es hätte überdies sehr gut in die bedeutende Holbein-Sammlung des Kunstmuseums Basel gepasst. Das Museum besitzt neben den Porträtskizzen zur Darmstädter Madonna weitere Werke aus dieser Phase des Holbeinschen Schaffens, so etwa Der tote Christus im Grab, das Bildnis des schreibenden Erasmus oder Die Passion Christi.

Eine «nationale» Vereinnahmung des Werks existierte jedoch nicht nur in der Schweiz. Eine Basler Delegation, die 1919 auf der Basis eines Gerüchtes nach Darmstadt reiste, um in Erfahrung zu bringen, ob das Bild nicht für Basel zu erwerben sei, musste dort erfahren, wie stark das Bild auch in Deutschland mit kulturpolitischen Ambitionen verknüpft war. Zwar befand es sich zu dieser Zeit noch in der ungeschützten Privatverfügung des Grossherzogs von Hessen, wurde jedoch bereits im Dezember 1919 per Erlass in das «Verzeichnis der national wertvollen Kunstwerke» eingetragen und mit einem Veräusserungsverbot ins Ausland belegt – in diesem Verzeichnis ist es noch heute.Freilich konnte die damals von Basel in Aussicht gestellte Summe von immerhin einer Million Franken nicht gegen das Angebot eines John D. Rockefeller ankommen, der wenige Jahre zuvor bereit gewesen war, gar jeden Preis zu zahlen. Nach 1919 war das Madonnenbild immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen dem Volksstaat Hessen und dem Grossherzog, der darauf bestand, dass das Bild in seinen Privaträumen verbleiben und nicht im Landesmuseum Darmstadt öffentlich zugänglich sein solle. Es mag daher nicht verwundern, dass ein Leihgesuch Basels für die 1923 geplante Holbein-Ausstellung anlässlich der 400-Jahr-Feier des Holbeinschen Wirkens in Basel vom Grossherzog abschlägig behandelt wurde. Dennoch kam das Bild 1947 nach Basel. Wie wurde das möglich?

Die «Madonnenkinder»

Der Prinz und die Prinzessin von Hessen und bei Rhein empfahlen das Bild 1947 dem Schutz des Kunstmuseums Basel an. Angeregt durch Margaret, Prinzessin von Hessen und bei Rhein (1913-1997), ermöglichte der Kanton Basel-Stadt daraufhin in den Jahren 1953 bis 1958 einen vierwöchigen Erholungsaufenthalt von jährlich 20 Darmstädter Kindern in Davos. Die dazu jeweils neu zu bewilligenden Kredite bildeten ein «Entgelt» für die Leihgabe der Darmstädter Madonna an das Kunstmuseum Basel. Die sogenannten «Madonnenkinder» machten auf ihrer Reise von Darmstadt nach Davos regelmässig einen Zwischenstopp im Kunstmuseum Basel, um das Gemälde zu betrachten.

Die zurückgekehrte Darmstädter Madonna zog in Basel die Massen an. In den ersten Wochen nach der Ankunft des Bildes im August 1947 in Basel war der Besucher:innenandrang so gross, dass das Bild temporär umgehängt werden musste, weil das «Holbein-Kabinett» die Menge der Menschen nicht fassen konnte. Dort waren u. a. die beiden Kreidevorzeichnungen zum Madonnenbild aus dem Bestand des Kupferstichkabinetts Basel ausgestellt.

Im Januar 1948 schrieb Georg Schmidt, der damalige Direktor des Kunstmuseums Basel, an den Prinzen Ludwig von Hessen: «… Sie hätten in den ersten Monaten an einem Sonntag ins Museum kommen müssen, um zu sehen, wie das Basler Volk zu Ihrem Bild wallfahrtete! Basel hat die Ankunft dieses Werkes buchstäblich wie eine Heimkehr gefeiert. Eine Welle der Dankbarkeit ist dem Museum entgegengeströmt dass es gelungen ist, dieses Bild für eine Zeit wenigstens, in seine Heimatstadt zu überführen.»

Eine Ausstellung in den Grafikkabinetten des Kunstmuseum Basel thematisiert diesen historischen Moment.

Autor: Rainer Baum, Leiter Bibliothek und Archiv

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