03 Apr. 2020

Jean-François de Troy, Diana und Aktäon, 1734. Kunstmuseum Basel

Jean-François de Troy, Diana und Aktäon, 1734. Kunstmuseum Basel

Im Kunstmuseum Basel gibt es zahlreiche Objekte, die je nach Blickwinkel als kontrovers wahrgenommen werden können. Dazu gehören zum Beispiel Werke von Cindy Sherman und Jean-François de Troy. Die Werke waren deswegen in der letztjährigen Sammlungspräsentation "Kontrovers?" zu sehen.

Im Februar 2018 wurde in der Manchester Art Gallery ein Gemälde von John William Waterhouse abgehängt, welches die mythologische Geschichte vom Jüngling Hylas erzählt, der von mehrere Nymphen in einen Teich und damit in den Tod gelockt wird. Es sollte eine Debatte ausgelöst werden über den heutigen Umgang mit Darstellungen, die den weiblichen Körper auf seine erotischen Reize reduzieren. Die Diskussion sowohl über die Debatte wie auch über die Aktion des Museums wurde in den Medien sehr kontrovers geführt.

Würde man im Kunstmuseum Basel ein Werk aufgrund derselben Überlegungen zensieren wollen, so müsste es wohl Jean-François de Troys Diana und Aktäon sein. Der weibliche Körper wird dem Betrachter regelrecht als Augenschmaus dargeboten. Dralle Nymphen versuchen flink ihre Nacktheit zu verhüllen, nachdem sie von Aktäon beim Baden im Wald überrascht worden waren. Die gesamte Aufmerksamkeit der Szene richtet sich auf jenen Unglückseligen, der zur Strafe bereits in einen Hirsch verwandelt um sein Leben rennt. So kann der Bildbetrachter sich ungestört dem Vergnügen widmen, herauszufinden, was es denn bei den Nymphen Spannendes zu erspähen gibt.

Solche Darstellungen waren im 18. Jahrhundert gängig, es gehörte zum guten Ton, sich Werke dieser Art in die Gemächer zu hängen. Und selbst wenn wir heute einen kritischen Umgang mit der erotisierenden Darstellung des weiblichen Körpers haben mögen, so ist unser Blick dennoch konditioniert und an solche Bilder gewöhnt.

Deshalb irritiert es umso mehr, wie die Fotografin Cindy Sherman uns den weiblichen Körper präsentiert. Einzelne Plastikelemente werden nebeneinander drapiert, aber eine einheitliche Wirkung kommt nicht zustande. Der Körper bleibt zerstückelt, die Zusammengehörigkeit der Einzelteile fraglich. Während der schwangere Bauch und die Brüste einem hohlen Gummiabdruck ähneln, erinnern die Arme an jene einer Schaufensterpuppe. Der schwangere Bauch passt nebenbei bemerkt nicht wirklich zu dem Gesicht einer alten Frau, die bereits aus dem gebärfähigen Alter zu sein scheint. Lose liegt er auf einem Unterleib mit amputierten Beinen. Diese Verstümmelung lenkt den Blick unausweichlich auf die Vagina, aus welcher eine Wurstkette hängt – sie ist wohl das am stärksten verstörende Element des Bildes.

Cindy Sherman, Untitled #250, 1992. Kunstmuseum Basel

Cindy Sherman, Untitled #250, 1992. Kunstmuseum Basel

Diese Inszenierung hat etwas Brutales. Sie mag als würdelose oder integritätsverletzende Präsentation des weiblichen Körpers aufgefasst werden und den Betrachter im Schamgefühl treffen. Ja sie mag empören oder gar abstossen! Doch was geschieht hier eigentlich?

War der Betrachter bei de Troy als Voyeur willkommen, wird er hier selber zum Beobachteten. Mit grossen Augen schaut die Dargestellte ihn herausfordernd an um zu sehen, wie er mit dem Anblick dieses Körpers umgeht, der so gar nicht dem entspricht, was er erwarten würde. Um diese Konfrontation zusätzlich zu steigern, präsentiert sie sich äusserst provokativ mit süffisantem Lächeln und den Armen in der Pose eines Pin-Up Girls.

Cindy Sherman demontiert das Bild des liebreizenden Frauenkörpers. Sie konfrontiert uns aufs Innigste mit unseren Sehgewohnheiten und unseren festgefahrenen Vorstellungen von Weiblichkeit, Schönheit oder Erotik. Auf diese Weise bietet sie uns an, die Perspektiven zu wechseln.

Autorin: Seraina Werthemann, Kunsthistorikerin und Kunstvermittlerin