Brice Marden

Inner Space

NEUBAU / 14.05.–28.08.2022 / Kurator: Josef Helfenstein

Die Ausstellung Inner Space zeichnet die künstlerische Entwicklung von Brice Marden nach und verfolgt sie bis zu den Werken der Jetztzeit. Gezeigt wird dies anhand von 104 Werken auf Papier und 8 Gemälden aus dem Kunstmuseum Basel und von nationalen und internationalen Leihgebern.

Brice Marden (geb. 1938, Bronxville, NY) etablierte sich in den 1960er-Jahren mit monochromen Gemälden und emotional geprägten Zeichnungen. Früh forderte Marden für seine Zeichnungen eine eigenständige Wertschätzung. Die Ausstellung mit rund 90 Werken zwischen 1972 und 2019 zeigt unter anderem wichtige Zeichnungsserien und Gemälde aus der Sammlung des Künstlers, von denen einige zum ersten Mal überhaupt zu sehen sind.

Marden etablierte sich in den 1960er Jahren mit monochromen Gemälden und emotional geprägten Zeichnungen. Er vereint in seinem Werk zwei grundlegende Positionen der modernen Malereitradition: einerseits die für den Abstrakten Expressionismus typische Gestik, andererseits den Hang zur Reduktion auf das Wesentliche, was sein Werk zumindest äusserlich der Minimal Art annähert. Inner Space zeigt damit ein Œuvre, das an die Sammlungsschwerpunkte der Öffentlichen Kunstsammlung Basel zur US-amerikanischen Kunst nach 1960 anknüpft.

Photo: Eric Piasecki

Photo: Eric Piasecki

Bis in die 1970er Jahre schuf Marden monochrome Farbtafeln, die einige Jahre später in Diptychen und grossformatigen, vielteiligen Bildern zu komplexen Auseinandersetzungen mit Fläche und Farbe wurden und die sich als Landschaften und Architekturen lesen lassen. Im Zentrum seiner malerischen und zeichnerischen Praktiken steht sein Interesse an Linien, Gesten und an der Beschränkung auf einfache Mittel und Materialien («there’s no electricity involved»).

Früh forderte er ausserdem für seine Zeichnungen, die den Gemälden in der Hierarchie der künstlerischen Medien meist untergeordnet werden, eigenständige Wertschätzung. In einem Text von 1979 bat Marden darum, seine Zeichnungen «als Räume» zu betrachten. Er verdeutlicht damit, dass die Zeichnung für ihn ein Medium ist, das nicht nur in mehr als zwei Dimensionen existiert, sondern auch in der Lage ist, den Geist und die Erfahrung eines bestimmten Ortes widerzuspiegeln.

Durch die Gegenüberstellung von Zeichnungsserien und Malerei wird in Inner Space das Prozesshafte in Mardens Schaffen deutlich gemacht. Ausgangspunkt ist eine Werkphase, die in Basel ihren Ursprung hat: Der Künstler setzte sich während sieben Jahren intensiv mit der Stadt auseinander. 1978 gewann er einen Wettbewerb zur Neugestaltung der Chorfenster des Basler Münsters. Seine Entwürfe wurden jedoch nie realisiert. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl der Studien zu diesem Projekt, die sich in der Sammlung des Kunstmuseums Basel befinden, sowie einige in diesem Kontext entstandene Window Paintings, die äusserst selten zu sehen sind.

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Trotz des Scheiterns des Basler Projekts wurden jene Jahre zur entscheidenden Zäsur in Mardens Schaffen und zum Fundament für seine weitere künstlerische Entwicklung: Er begann sich Anfang der 1980er Jahre – angeregt vom Besuch der Ausstellung Masters of Japanese Calligraphy in New York – mit asiatischer Kalligrafie und Dichtung auseinanderzusetzen und unternahm erste Reisen nach Thailand. Dort und auch auf der griechischen Insel Hydra entstanden Zeichnungen, die fernöstlichen Schriftzeichen nachempfunden waren, denen aber weiterhin Beobachtungen der Natur zugrunde lagen. Mit dieser Auseinandersetzung begann für Marden die Abkehr von der monochromen Malerei.

Mitte der 1980er Jahre begann Marden die Cold Mountain-Serie. Er bezog sich damit auf die Schriften des berühmten Dichters Han-Shan, bekannt als «Cold Mountain», der während der Tang-Dynastie (618–907) in China tätig war. Die Flächen des Frühwerks sind darin aufgelöst und ersetzt durch Linien und Bildzeichen, die Bewegung spürbar werden lassen. Spannungsreiche Farbgitter und verschlungene Linien beherrschen fortan Mardens Leinwände. In den weiteren Jahren verfestigten sich die Lineaturen und finden wieder zu Farbe. Ein prägnantes Beispiel hierfür ist das monumentale Gemälde The Muses (1991–1993) aus der Schweizer Daros Collection: Die kalligrafische Struktur, die dem Gemälde zugrunde liegt, entwickelt sich zu einer freien Choreografie fliessender Linien in Grün, Gelb, Grau und Blau.

Brice Marden. Inner Space ist eine erweiterte Version der von Kelly Montana kuratierten Ausstellung Think of Them as Spaces. Brice Marden's Drawings (The Menil Collection, Houston, 21.2.–14.6.2020).